Cirque du Soleil: Corteo

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Kann eine Beerdigung lustig sein? Kann sie ein fantasievoller Tripp, ein in Lebensfreude schwelgender Gesang, der theatralisch-artistisch ausgefochtene Kampf zwischen Groß und Klein sein? Ja. Wenn sie „Corteo“ heißt und eine Produktion des „Cirque du Soleil“ ist. Und mit diesem Programm gastiert der kanadische Cirque Nouveau derzeit in Deutschland. Jetzt war Deutschlandpremiere in Düsseldorf (sieben Jahre nach der eigentlichen Premiere).

„Corteo“ heißt „Trauerzug“. Und so liegt zu Beginn der Aufführung ein Mensch im Sterben. Mauro, der italienische Clown. An seinem Sterbebett ziehen sie als fröhlicher bunter Trauerzug vorüber, die Begleiter aus seinem Circusleben: die Artisten, die Künstler. Verrückte, schlaue und dumme, starke und schwache, große und kleine Helden. Und sie beobachtend und manchmal mitwirkend erlebt Mauro nun Ausschnitte seines Lebens im Zirkusrund.

Der Cirque du Soleil bietet mit „Corteo“ wieder Superlativen. Wie alle Programme des 1985 von einem kanadischen Straßenkünstler gegründeten Unternehmens (derzeit touren 20 Produktionen um die Welt oder sind dauerhaft in Las Vegas, Disneyland etc) ist auch „Corteo“ ein fantasievolles, eine schön und intelligent erzählte Geschichte. Allein die Ausstattung im Zelt ist aufregend. Es gibt im Cirque du Soleil keine Manege (Tiere treten sowieso nicht auf) – stattdessen agieren die Künstler.

50  Artisten wirbeln über die Bühne

Auf einer 32 Meter langen Laufsteg-Bühne mit einem rotierenden, kreisförmigen Mittelstück von 12 Metern Durchmesser. Der Zuschauerraum (2700 Plätze) ist zweigeteilt. Auf jeder Seite des Laufstegs sitzt Publikum, wodurch nicht nur die Sicht bestens ist – der Zuschauer sieht die Bühne mit Artisten und dahinter die Zuschauer – geradeso, als ob er selbst den Blick des Künstlers von der Bühne hinab zum Publikum hat.

50 Artistinnen und Artisten wirbeln in den folgenden zwei Stunden über diese Bühne, zeigen fröhliches, quirliges, unterhaltsames Spektakel, das der fidele Mauro begleitet. „Corteo“ zeigt Anmut und Kraft, Spaß, Comedy und Spontanität. Die Zeit der Handlung: um 1900. Der Ort: ein mysteriöses Nirgendwo zwischen Himmel und Erde.
Im Festzug für den Clown, den Träumen an seinem Sterbebett, werden die Betten im Kinderzimmer zu Trampolinen für artistische Sprünge, goldene Kronleuchter dienen vier jungen Damen zu waghalsiger Akrobatik hoch in der Luft, ein Clown tanzt kopfüber auf einem Seil, eine riesige Marionette versucht sich im Fußballspiel, Clowns machen Musik mit Gläsern und Schalen aus Tibet, in Cyr-Rädern gezeigte Perfektion der dynamischen Bewegung reißt zu Beifallsstürmen hin.

Seiltanz und am Trapez fliegende Menschen zeigen Stärke, Geschick, Gleichgewicht in überragender Vorführung, Jonglieren mit Ringen, Reifen und Keulen setzen das Gravitationsgesetz außer Kraft, komisch und brillant zugleich der Balanceakt auf einer Leiter – und auch der Humor ist ständig dabei. In Pferdekostüme gesteckte Clown, eine Clownummer mit einem Golfer und einem lebenden Golfball – und als ein Höhepunkt das verrückte Teatro Intimo, das im kleinen fahrbaren Theaterwohnwagen „Romeo und Julia“ mit zwei kleinwüchsigen Clowns aufführen will – wild, anarchistisch, irre und schrill. Ein Trip, der an Stücke der Commedia dell’Arte und an die Grotesken von Fellini- erinnert, wie überhaupt so vieles in „Corteo“.

Der Surrealismus dominiert

Surrealismus dominiert – vor allem, wenn eine kleine Clownin an riesigen Heliumballons hängend durch das Zelt schwebt, angewiesen auf die Hände der Zuschauer, die sie immer wieder in die Höhe drücken, sie treiben lassen – untermalt von ihren köstlichen Aufforderungen, ihr zu helfen. Einer der bezauberndsten Augenblicke von Corteo.

Dabei verkörpern auch Engel ihren eigenen Reiz. Denn Engel sind – angesichts des sterbenden Mauro – allgegenwärtig. Sie schweben über die Bühne, in luftiger Höhe, spielen am Bühnenrand, schauen neugierig dem Treiben zu, sind manchmal keck, ja frech.

Am Ende schwebt Mauro auf einem Fahrrand sitzend gegen Himmel. Er winkt. Engel begleiten ihn. Die Artistenschar am Boden grüßt ihn. Alle Lachen. Zum Weinen ist niemand mehr zumute.

Das Publikum der Premierenvorstellung jedenfalls dankte der Truppe mit Stand Ovation und fast zehn Minuten langem Applaus. Denn diese zwei Stunden, die Zeit des Trauerzugs, waren mehr als unterhaltsam. Sie beflügelten die Fantasie und ließen alle abtauchen in eine andere Welt – zu einem Trip an einen mystischen Ort zwischen Himmel und Erde.

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