Im Herzen von Potsdam | Brandenburg

Unerwartet steht man in Potsdam plötzlich auf einem der einst schönsten Barockplätze Deutschlands. Der Alte Markt.

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Umgeben von der Kuppelkirche St. Nicolai, dem Alten Rathaus, einem Obelisken und dem gewaltigen neuen Landtag, der dem zerstörten Potsdamer Stadtschloss nachempfunden wurde, sind wir sind im Herzen von Potsdam angekommen: dem Alten Markt.

Hinter der rekonstruierten Stadtschloss-Fassade in Potsdam verbirgt sich das modernste Landtagsgebäude Deutschlands. Man betritt die Anlage durch das Fortunator. Vom großen Platz der Einheit steigt man zuvor uncharmant wirkende Treppenstufen hinauf, den Blick fest auf die Kuppel der Nikolaikirche gerichtet. Auf der rechten Seite will man unterdessen das leerstehende und verfallende Gebäude einer DDR-Fachhochschule ignorieren. Dann, unerwartet einige Büsche, ein Bauzaun – und man steht auf einem der einst schönsten Barockplätze Deutschlands: der Alte Markt.

Hier an der Havel soll die erste Brücke über den Fluss gestanden haben. Und da man am Ufer auch Reste einer frühen Burganlage fand, vermutet man an dieser Stelle den Geburtsort der Stadt Potsdam. Früher war hier das wirtschaftliche und politische Zentrum. Friedrich der Große ließ den Platz zur römischen Piazza umgestalten. Die gewaltige grüne Kuppel der Nicolaikirche – sie ist 77 Meter hoch – kann man eigentlich von überall in Potsdam sehen.

Friedrich Wilhelm I. ließ die Nicolaikirche bauen, Friedrich der Große nach dem Vorbild der römischen Santa Maria Maggiore die Außenfront im Stil des römischen Spätbarock umbauen; allerdings war es nur eine sogenannte Schaufassade. 1795 brannte die alte Nikolaikirche ab. Karl Friedrich Schinkel baute ab 1830 den Neubau der protestantischen Kirche. Sein großes Werk ist die Kuppel.

1945 wurde die Kirche beim britischen Luftangriff auf Potsdam getroffen und dann durch sowjetischen Beschuss schwer beschädigt. Erst 1981 wurde sie nach dem lang dauernden Wiederaufbau erneut geweiht. Vier Ecktürme neben der Kuppel stehen dort nur wegen der Statik, nicht aus ästhetischen Gründen. Heute ist dort oben, in 50 Metern Höhe, eine Aussichtsplattform.

Vier Könige am Obelisken

Schreitet man die Stufen von der Kirchentüre abwärts, steht man vor einem Obelisken. Der 16 Meter hohe Bau ist derzeit von Bauzäunen umgeben. Vor Wochen wollte man fertig sein mit den Arbeiten. Schade. War aber nichts. Vom Obelisken sind im Sommer 2014 durch das Gerüst zurzeit nur Teile zu erahnen. Auf ihm zu sehen sein sollen die Bildnisse der Potsdamer Architekten Knobelsdorff, Schinkel, Gontard und Persius, verrät der Führer.

Der Marmorobelisk steht seit 1753 hier. Früher waren an ihm die Portraits der vier wichtigen Potsdamer Könige zu sehen: der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II.. In den 1970er Jahren waren die Königsbilder gegen die der vier Architekten ausgetauscht worden. Neben dem restaurierten Alten Rathaus, hier ist heute das Potsdamer Stadtmuseum drin, erheben sich die Mauern des Landtages. Früher stand hier das Stadtschloss.

Wo Günther Jauch half

Heute verbirgt sich hinter der rekonstruierten Fassade das modernste Landtagsgebäude Deutschlands. Auch wenn die Parlamentarier ungern Besuch in ihrem Haus (Dachterrasse und Cafeteria sind manchmal geöffnet) haben, einen Gang in den Innenhof darf man nicht verpassen. Das Eingangstor, das man zunächst durchgeht, ist eine Stiftung. Fernsehmoderator Günther Jauch, er ist Wahl-Potsdamer, hat mitgeholfen, die Gelder für den Wiederaufbau 2001 aufzutreiben.

Und mit diesem Wiedererstehen wurde die Restauration des Stadtschlosses (2013 fertiggestellt) eingeläutet. Die Fortunafigur obendrauf ist übrigens 2,50 Meter hoch und wiegt fünf Zentner. Das Original-Eingangstor, eigentlich heißt es Fortunaportal, war unter König Friedrich I. in Preußen 1701 eingeweiht worden und gilt als Startschuss für den Beginn der klassischen Potsdamer Baukunst. Im Weltkrieg von Bomben zerstört, beschloss die SED das endgültige Ende des hinter dem Fortunator liegenden Stadtschlosses. Man sprengte einfach die noch stehenden Mauern.

„Ceci n’est pas un château“ 

Wenn man das Fortunator durchschreitet, steht man in einem der herrlichsten Innenhöfe Potsdams. Aber Vorsicht. Nichts ist original. Das heutige Schloss ist nur eine äußerliche Rekonstruktion des Originals. Wegen seiner einmaligen Innenausstattung hat das Schloss als eines der Hauptwerke des friderizianischen Rokoko gegolten. Heute ist im Innern nun mal ein Landtagsgebäude. An der Westfassade steht „Ceci n’est pas un château.“ („Dies ist kein Schloss.“) in großen Lettern. Damit ist eigentlich alles gesagt. Einer Ruine ähnlich ist neben der Kirche das Fachhochschulgebäude, das hier 1971 gebaut wurde. Doch das wird demnächst abgerissen, ebenso wie ein bereits verschwundener neuzeitlicher Theaterbau.
Dicht daneben befindet sich der Marstall (früher erst Orangerie, dann Reitstall) und heute Filmmuseum. Das aber wird derzeit (Sommer 2014) restauriert und ist geschlossen. Dahinter, dort beginnt der Neue Markt, befindet sich der bereits restaurierte Kutschstall mit Restaurant und dem Museum „Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte“.Auf der Rückseite des Landtages holt die Realität den verzückten Besucher des Alten Marktes schnell wieder ein. Nicht nur wegen der belebten Breite Straße entlang der Havel. Dort steht, wo die Ausflugsschiffe anlegen, auch das hochgeschossene Mercure-Hotel. Gebaut zu DDR-Zeiten. Und das ist unübersehbar. Viele Pläne gibt es in Potsdam, was man im Herzen der Stadt wiederaufbauen möchte. Es gibt aber, so wie bei der Garnisonskirche, auch Gegner eines Wiederaufbaus. Sicher aber ist: Die Arbeiten am schönsten Barockplatz Deutschlands werden noch viele Jahre dauern.

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