Kastell Saalburg | Wo römische Soldaten den Limes bewachten | Hessen

Kaiser Wilhelm II. veranlasste den Wiederaufbau des Kastell Saalburg in Hessen. Die Anlage entstand auf den alten Grundmauern nach dem Vorbild anderer Kastelle.

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Kastell Saalburg im Taunus. Dort, wo vor 2000 Jahren römische Soldaten die Grenze bewachten. „Sie verlassen jetzt den römischen Sektor“. Nein, ein Schild mit dieser Warnung steht nicht da. Könnte es aber. Zumindest vor 1900 Jahren.

Da hinten, überlege ich weiter, könnte ein römischer Soldat an einem Baum gelehnt mich gelangweilt beobachten. Mich, den germanischen Bauern, der zum Handeln im Reich unterwegs ist. Der Fußweg führt leicht bergab. Zwei germanische Händler, die ihren Ochsen einen Holzwagen ziehen lassen, kommen mir entgegen. Sie haben gerade die Grenze passiert. Dann sehe auch ich sie: die Grenze. Zwei Erdwälle, ein Graben und Holzpalisaden davor. Am Durchlass kontrollieren Soldaten gerade einen anderen Holzwagen. Ich bin am Limes angekommen. Bereit, das Römische Reich zu betreten.

So könnte sich die Szene hier, unweit der Saalburg im hessischen Taunus, im ersten Jahrhundert nach Christus ereignet haben. Der Limes, der als Grenze das Römische Reich vom Siedlungsraum der Germanen trennte, war rund 550 Kilometer lang. Er reichte vom Rhein bis zur Donau.

Kaiser Wilhelm II. ließ das Kastell rekonstruieren

Zumeist rekonstruierte Reste der römischen Limes-Anlagen mit ihren Gräben, Palisaden und Wachtürmen gibt es heute einige. Auch hier in der Nähe von Bad Homburg bei Frankfurt. Denn dort hat man nicht nur ein kleines Stück der Grenze rekonstruiert. Man hat gleich sogar ganzes römisches Kastell wieder aufgebaut. Und das schon vor über 100 Jahren. Bauherr des wiedererstandenen Kastells Saalburg war Kaiser Wilhelm II.

Der Limes liegt heute verlassen in einem Waldstück. Der Autoverkehr von der Bundesstraße 456 ist zu hören. Die Straße führt nach Bad Homburg. Diesen Punkt am Limes nennt man den Saalburgpass. Hier, auf dem Höhenkamm des Taunus, endet die Rhein-Main-Ebene und das Usinger Becken beginnt. Gegen Ende des ersten Jahrhunderts besetzten die Römer den Taunus und die Wetterau. An diesem Grenz-Durchgang wurden Händler aus dem Germanengebiet kontrolliert. Den Limes sicherten die Römer mit Soldaten, die in Kastellen untergebracht waren.

Ich kehre um, gehe den Waldweg bergan durch mein imaginäres römisches Reich. Nach wenigen Hundert Metern erreiche ich eine Ansammlung von Erdwällen und Mauern. „Schanze A“ und „Schanze B“ nennen die Archäologen diese Reste. Denn bevor die Römer hier am Limes richtig große Kastelle errichteten, bauten sie zuerst kleinere befestigte Soldatenunterkünfte. Die erste Anlage hier bestand aus Wällen, Gräben und Flechtwerk. Gewohnt haben die Soldaten in Zelten. Dieses Camp wurde vermutlich um 75 n. Chr. errichtet. Die Besatzung hatte die Aufgabe, den Taunuspass zu bewachen.

Das kleine Kastell wird zum Kohortenkastell

„Schanze B“ daneben bauten die Römer zehn Jahre später. Zwei Gräben, ein Wall und eine Erdmauer mit Wehrgang schützten Holzbaracken im Innern. Die Soldaten, die hier lebten, bewachten den inzwischen errichteten Limes. Um 135 n. Chr. sandte man noch mehr und mehr Soldaten an die Grenze im Hochtaunus. Das kleine Kastell wurde nun zu einem Kohortenkastell mit 600 Soldaten ausgebaut.

Ich gehe eine breite Straße entlang. Vor 100 Jahren fuhr man hier Autorennen, erzählt man mir später. Heute parken hier die Pkw der Touristen, die zum Römerkastell Saalburg kommen. Zwischen Bäumen sehe ich die hohe helle Steinmauer, die das Kastell umgibt. Hier entlang der Straße entwickelte sich damals ein Lagerdorf. Vicus wurde es genannt. In dem Dorf lebten die Familien der Soldaten, die Händler und die Handwerker.

Für die zweite Raeterkohorte wurde Mitte des 2. Jahrhunderts das erste Holz-Kastell dann in Steinbauweise erweitert. Um das Jahr 200 lebten bereits über 2000 Soldaten und Zivilisten im Bereich der Saalburg. Das war die Blütezeit des Kastells.

Wie mag das Leben hier ausgesehen haben? Es gab Bäder, Geschäfte, Gasthäuser, Heiligtümer und dazwischen gradlinige befestigte Straßen. So, wie die Römer zu bauen und leben gewohnt waren. Eine kleine römische Stadt um einen Militärstützpunkt errichtet war inzwischen entstanden.

Heiligtum, Jupitersäule, Grabhaus 

Überall in diesem Waldgebiet entlang der Bundesstraße findet man heute Mauerreste im Boden. Sie sind Überbleibsel der kleinen Siedlung. Dazwischen liegen rekonstruierte Bauten: Heiligtum, Jupitersäule, Grabhaus, aber auch Bauten aus wilhelminischer Zeit.

Entlang mehrerer Ausgrabungen komme ich zur Vorderseite des Kastells – die Seite mit dem Haupteingang. Die Reste einer Badeanlage liegen hier am Wegrand.

Ab 230 begannen die Angriffe der ins Reich eindringenden Germanenstämme. Das Lagerdorf wurde bei einem der Überfälle zerstört. Ab 260 n. Chr. überfallen immer wieder die germanischen Alemannen die Lager entlang der Grenze, ziehen plündernd umher. Die Römer gaben den Limes auf. Und damit auch das Kastell. Das Dorf wurde von seinen Bewohnern endgültig verlassen. Die Zeit der römischen Herrschaft in Taunus und Wetterau war vorbei. Die Anlage begann zu verfallen.

Als Kaiser Wilhelm II. das Kastell entdeckte

Im Mittelalter als Steinbruch genutzt, waren bald schon kaum noch Spuren der römischen Siedlung zu sehen. Erst im 19. Jahrhundert erwachte das Interesse an der Geschichte. Erste Ausgrabungen am Limes fanden statt. Auch am Kastell Saalburg. Von 1894 war es der Architekt und Altertumsforscher Louis Jacobi aus Bad Homburg, der die Ausgrabungen leitete. Er war es auch, der Kaiser Wilhelm II. (er war öfters in Bad Homburg zur Kur) für das Kastell begeisterte.

1897 veranlasste der Kaiser den Wiederaufbau des alten Römerkastells. Louis Jacobi rekonstruierte die Anlage auf den alten Grundmauern nach den damals bekannten Vorbildern anderer Kastelle. 1907 war der Bau fertig. Heute gilt die Saalburg als das besterforschte und am vollständigsten rekonstruierte Kastell des Obergermanisch-Rätischen Limes, der seit 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Im Kastell Saalburg

Am Eingangstor, dem Haupttor Porta Praetoria, zum Kastell grüßt mich die Statue von Kaiser Augustus Pius mit erhobenem Arm. Nur unter dem strengen Blick der Wachen werden Besucher ins Innerste des Kastells gekommen sein. Im Innern angekommen, ergibt sich der Blick in das rechteckige Kohortenkastell von 147 Metern Breite und 221 Metern Länge und vier Toren.

Die Rekonstruktion der Saalburg zeigt den Ausbau des Kastells kurz vor Aufgabe der Anlage. Über drei Hektar groß ist das Gelände, das mit einer gemörtelten Wehrmauer (Türme gibt es nur an den vier Toren) mit Zinnen umgeben ist. Von außen war die Mauer, vor der ein Graben liegt, übrigens angemalt. Im Innern gibt es eine aufgeschüttete Erdrampe über die Soldaten zur Mauerkrone stiegen.

Im Innern des Kastells geht es lebhaft zu. Allerdings sind keine römischen Soldaten unterwegs, sondern Schüler. Denn gerade für Schüler hat man hier viel getan, bietet jede Menge Lehr- und Lernstoff. Kein Wunder also, dass Schulausflüge zur Saalburg im Raum Frankfurt beliebt sind.

Ich befinde mich in der Praetentur, dem vorderen Kastellbereich. Nun gehe ich den Hauptweg, die Via Praetoria, lang. Hier steht das Praetorium, das Wohngebäude des Kommandanten. Gegenüber liegt das Horreum, das Speichergebäude für das Getreide.

Schulklassen bei einer Museumsrallye ziehen von Haus zu Haus. Denn im Speichergebäude werden Funde der Ausgrabungen gezeigt, werden Besucher in die Geschichte der Römer in Hessen eingeführt. Auf den freien Flächen draußen muss damals reges Leben geherrscht haben. 600 Soldaten lebten auf engem Raum. Denn die heutigen freien Flächen waren zur Römerzeit bebaut. Da gab es Ställe, Magazine, Werkstätten und Mannschaftsunterkünfte.

Hinter den Werkstätten liegt das Zentrum des Kastells. Die Principia, das Stabsgebäude. Durch eine hohe Vorhalle geht es in den auf allen vier Seiten von einem Umgang umgebenen Innenhof. Im Inneren des Hofes gibt es zwei Brunnen, ausgestattete Räume zeigen unter anderem Fahnenheiligtum, eine Küche und rekonstruierte Handwerkerstuben. Hier liegen auch die Werkstatträume, in denen Restaurierungsarbeiten wie auch Kurse für Schüler durchgeführt werden.

Wieder zurück zum Haupteingang erreiche ich den Bereich, wo zwei Mannschaftsbaracken rekonstruiert wurden. In einer befindet sich die Taberna, ein Restaurant im römischen Stil mit römisch klingenden Speisen auf der Karte. Ob es hier zur Römerzeit auch eine Taberna gegeben hat? Das jedenfalls frage ich mich, während ich eine Bratwurst gewürzt mit Kräutern aus der römischen Küche (das steht so jedenfalls auf der Speisekarte) esse. Vielleicht, überlege ich, haben ja die Soldaten vor fast 2000 Jahren auch so eine Bratwurst gegessen. Hier im Kastell Saalburg.

Infos:

Römerkastell Saalburg
Archäologischer Park
Saalburg 1
61350 Bad Homburg

Web: www.saalburgmuseum.de

Einen Beitrag über ein Autorennen im Jahr 1904 an der Saalburg lesen Sie HIER

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