Lesetipp für unterwegs: Der Millionen-Jäger

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800 Fälle hat er bearbeitet, ist in 30 Berufsjahren 1,5 Millionen Kilometer mit dem Auto und drei Millionen Kilometer mit dem Flugzeug auf 4 Kontinenten unterwegs gewesen. Dabei hat er seinen Auftraggebern geholfen, rund 300 Millionen Euro nicht an Betrüger zahlen zu müssen; sorgte dafür, dass Bankräuber, Mörder und Brandstifter verhaftet werden konnten. Er arbeitete mit der Polizei, mit Experten und mit Zuhältern zusammen. Und dabei musste er stets im Auge behalten, selbst (fast) anonym zu bleiben. Nur wenige kennen – bis heute – seinen genauen Wohnort, wissen seine private Telefonnummer: Wolfgang Unterfeld – Versicherungsfahnder.

Versicherungen haben ein uninteressantes Image. Bürokratisch, korrekt, Vertreter im Anzug, Mitarbeiter, die was verkaufen wollen und dabei an ihre Provision denken. Ein fades Leben. Und dann gibt es neben den grauen Sachverwaltern und schneidigen Verkäufern noch die Mitarbeiter, die überprüfen, ob der Versicherungsfall auch wie angegeben stimmt. Meist geht es dabei aber – für eine Versicherung – um nur kleine Summen. Was aber, wenn es um Millionen geht, die im Versicherungsfall fällig werden?

Ein echter Versicherungsfahnder

Dann kommen die echten Versicherungsdetektive ins Spiel. Im Fernsehen kennen wir die: Josef Matula aus „Ein Fall für zwei“ zum Beispiel. Alles Drehbuch? Alles erfunden, gibt es nicht? Falsch. Denn dann lesen Sie mal „Der Millionenjäger“ von Wolfgang Unterfeld. Der nämlich ist ein echter Versicherungsfahnder. Einer, der von Versicherungen engagiert wird, wenn es um die Millionen geht, die man nicht zahlen möchte. Weil etwas faul ist am Versicherungsfall.

Unterfeld, Jahrgang 1949, ist seit kurzem im Ruhestand. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen. Auf seine spannendsten Fälle. Und sein Job, das weiß man nach der Lektüre des „Millionenjägers“ ist alles andere als langweilig. Geschrieben hat Wolfgang Unterfeld „Der Millionenjäger – Ein Versicherungsfahnder ermittelt“ gemeinsam mit Bertram Job, Autor für den Stern, das SZ-Magazin etc. Herausgekommen ist ein überaus spannendes 240 Seiten Buch, erschienen bei rowohlt polaris, geschrieben im lebendigen, kurzatmigen, flotten Stil eines Kriminalromans. Und etwas anderes als ein Krimi war Unterfelds Berufsleben auch nicht.

Der Tote am Niederrhein

Da ist der Fall einer abgebrannten Diskothek im Osten Deutschlands, in der aber jemand gezündelt hatte. Und der Fall des Bankers, der mit unterschlagenen Millionen nach Neuseeland durchbrannte. Oder der des CSU-Politikers, der seinen Laden abfackelte und zugleich Chef eines Bordells war und der Lehrer, der sechs Lebensversicherungen für seine Frau abschloss, kurz bevor die im asiatischen Meer ertrank, der Tote am Niederrhein mit dem Ninjaschwert – und viele weitere Fälle. Allesamt unterhaltsam beschrieben, ins Detail gehend und dadurch für den Leser miterlebbar.

Interessant ist nicht nur zu erfahren, wie ein Fahnder arbeitet. Auch seine Meinung über die großen Versicherungsskonzerne und deren Chefetagen teilt er unverhohlen mit. Auch erfahren wir, wo und wie ein Ermittler seines Formates während seiner Reisen lebt – und wen er kennt. Denn ohne Zusammenarbeit und Kontakte zur Polizei überall auf der Welt lassen sich schwierige Fälle in weit entfernten Gegenden kaum lösen. Aber dazu braucht man viel Berufserfahrung, Können und Kenntnis der Menschen. Und das hat Unterfeld im Beruf gehabt.

Seine Kontaktpersonen beschreibt er liebevoll. Ob sie sächseln oder nur gebrochen deutschen sprechen, ob Polizisten im Rheinland, in Bayern, in Afrika und Asien: Er weiß, wie man mit den staatlichen Ermittlern spricht, will man ans Ziel kommen. Aber ebenso liebevoll erzählt Unterfeld von den wenigen netten Kollegen bei den Versicherungen, von Dolmetschern und auch dem Zuhälter aus Aachen.

Über allem aber schwebt ein wenig Traurigkeit. Nicht über das Ende seines Berufslebens, sondern über die Veränderungen in der Gesellschaft. Denn in den Chefetagen der Versicherungen hat eine neue Generation das Ruder übernommen. Da weht ein anderer Wind – kein angenehmer durchaus. Und da glauben wir Unterfeld gerne, dass die Zeit der innovativen Ermittler, der Kumpel und Einzelgänger, der in Hotelbars Zigaretten rauchenden und Wiskey trinkenden Ermittler zu Ende geht. Und damit eine kriminalistische Epoche.
„Der Millionenjäger“ ein real crime-Buch. Lesenswert.

Ulrich Kronenberg

Wolfgang Unterfeld
Der Millionenjäger
rororo
240 Seiten
ISBN 978-3-499-61156-8

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