Im Hausbootmuseum in Amsterdam

Mein Besuch auf einem Hausboot in Amsterdam

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Wer nach Amsterdam reist, sieht die vielen Hausboote in den Grachten liegen. Doch wie mag es in den Hausbooten aussehen? Aufklärung bietet da das Hausbootmuseum in der „Hendrika Maria“ an der Prinsengracht.

Der Boden unter den Füßen scheint sich leicht zu bewegen. Von draußen ist durch ein geöffnetes Fenster leises Plätschern zu hören. Vincent van Loon erwartet mich in der Küche. Zwei Treppenstufen tiefer, hinter einem Vorhang, stützt sich der Besitzer der „Hendrika Maria“ auf einen Tresen. Die Küche dient ihm als Kassenraum für sein Hausboot. Zwischen Spüle, Herd und Küchenschrank hat er Prospekte und Zeitungen auf dem Tresen ausgebreitet.

„Willkommen an Bord“, sagt er freundlich. Durch ein Bullauge hinter ihm sehe ich ein Ausflugsschiff auf der Prinsengracht vorbeiziehen. Die „Hendrika Maria“ ist eigentlich ein Frachtschiff. Jetzt aber ist sie ein Hausboot. Eines, dass man sich ansehen darf. Denn Vincent van Loon hat sein Hausboot 1997 in ein „Hausbootmuseum“ umgewandelt. Und da es in Amsterdam über 2500 bewohnte Hausboote gibt, reizt es natürlich ungemein, einmal ein schwimmendes Haus von innen zu sehen.

23 Meter lang und über vier Meter breit

80 Quadratmeter ist das Hausboot groß. Knapp über 23 Meter lang und viereinhalb Meter breit. Außer dem Deck gibt es natürlich nur eine Etage. Kein Keller und kein Dachboden. Aber das stört Vincent van Loon nicht. Jetzt allerdings wohnt er nicht mehr an Bord.

Auf der Backbordseite schlendern Touristen entlang der Prinsengracht. Fahrradfahrer und Pkw drängeln sich vorbei. Nur wenige Meter sind es bis ins bekannte Stadtviertel „Jordaan“. Das „Anne Frank Haus“ liegt fast in Sichtweite. Lebhaft geht es außerhalb des Hausbootes zu. An Bord der Hendrika Maria dagegen ist es ruhig. Wenn nicht gerade Touristengruppen das Boot entern.

2008 hat van Loon das Hausboot erneut restauriert und im Innern eine Hausbootwohnung wie in den 50er Jahren eingebaut.

So lebten der Bootsmann und seine Familie

„Hier hinten“, erklärt van Loon und zeigt auf einen kleinen Raum neben der Küche, gleich am Eingang, „lebte früher der Bootsmann mit seiner Familie“. Mit „früher“ meint er die 50er Jahre. Damals war die Hendrika Maria noch ein Frachtschiff, das Holz, Kies und Sand über die Flüsse in den Niederlanden transportierte. „Eine vierköpfige Familie musste in den Raum im Hinterdeck passen. Viel Platz war da nicht. Denn der Rest des Schiffes war schließlich Frachtraum“.

Ein Tisch, eine Spüle mit Handpumpe, mit der Trinkwasser aus einem Wasserfass gepumpt wurde, unter der Spüle dann Schränke mit den notwendigen Küchengeräten, der Herd, Wandschränke mit Geschirr und Kleidung und die Betten sind platzsparend in dem kleinen Raum untergebracht. Während die Erwachsenen in einer größeren Bettnische (immerhin 182 cm lang) schliefen, war für zwei Kinder eine kleine Bettnische an der anderen Seite da. Die war nur 165 cm lang. „Aber kein Problem“, lacht van Loon, „Die Holländer waren damals schließlich nicht so groß…“.

Gab es eine Toilette? „Im Prinzip ja“, sagt der Hausbootsbesitzer. Das WC war ein „puts“. Ein Eimer mit Seil, mit dem man Wasser schöpfen konnte.

Wir gehen zurück in den Raum neben diesem kleinen Wohnraum, in die Küche, in der van Loon mich erwartet hatte. Die Küche gab es früher natürlich nicht. Da hätten wir jetzt bereits im Frachtraum gestanden. Erst als das Boot in den 60er Jahren zum Hausboot wurde, entstand dieser Raum und die anschließenden: Wohnzimmer, Schlafraum, Bad und ein weiterer Raum.

Wohnzimmer im Stil der 50er Jahre

Der Holzofen verbreitet auch im Winter wohlige Wärme im Wohnzimmer. Das ist gar nicht so klein. Vincent van Loon setzt sich in einen der gemütlichen beiden Sessel zwischen dem Ofen und einem Fernseher, der eindeutig aus den 50er Jahren stammt. Bücherregale, Tisch und Stuhl, Dekorationen an den Wänden – hier lässt sich leben.

Durch ein Fenster blicke ich auf das Hausboot „Walewein“ am anderen Ufer der Prinsengracht. „Kein Hausbootbesitzer lebt länger hier auf dem Wasser als die beiden auf der Walewein“, sagt der Museumschef. Das Boot stammt aus dem Jahr 1914. Ihre Besitzer, ein Ehepaar, leben seit 1976 an Bord.

Was, wenn ich jetzt Lust bekomme, hier auch auf einem Hausboot zu leben? Van Loon lacht. „In Amsterdam gibt es keine freien Liegeplätze mehr. Sie müssten sich schon eines kaufen,  das bereits einen Liegeplatz hat.“

Was kostet ein Hausboot?

Ist das teuer? „Naja, so zwischen 300 000 und 900 000 Euro müssen Sie schon anlegen“, sagt der Hausbootbesitzer. „Viel mehr zahlen Sie für ein Haus an Land auch nicht.“ Und kostet ein Liegeplatz etwas? „Sie müssten natürlich Liegegeld an die Gemeinde zahlen. Dazu kommt noch die Eigentumssteuer, die Kosten für Gas, Wasser und Strom. Die Instandhaltung ist übrigens auch nicht billig“, erklärt er, während ich mich gerade von der Idee des Lebens in einem Hausboot verabschiede.

Vorbei an Vitrinen mit Hausbootmodellen und Bildern schöner Eigenheime auf dem Wasser stehen wir vor einem Doppelbett in einer Wandnische. Bis vor kurzem war hier eine Kinderspielecke. Van Loon hat jetzt hier lieber die Schlafstätte nachgebaut.

Die Suche nach der Schiffsgeschichte

Wem hat das Schiff eigentlich vorher gehört? Vincent van Loon kann da bestens Auskunft geben. Nachdem er vor fast 20 Jahren die Hendrika Maria gekauft hatte, beschäftigte er sich ausführlich mit ihrer Geschichte. Er hat Dokumente und Fotos gesucht, ihre Vorbesitzer ausfindig gemacht, einige aufgesucht und andere auf sein restauriertes Hausboot eingeladen. Sogar publiziert hat er die Ergebnisse seiner Arbeit. Nicht als Buch. Aber als Illustrierte, die in niederländisch und englisch kürzlich erschienen ist und im Museum wie im Web gekauft werden kann. Zusammenfassend berichtet van Loon, der viele Jahre in Tansania als Lehrer arbeitete, bevor es ihn wieder nach Amsterdam zog.

Warum das Schiff „Hendrika Maria“ heißt

In einer Werft an der Waal in Dodewaard wurde das Schiff 1914 gebaut und zu Wasser gelassen. Ganz modern bestand es aus Metall statt Holz. Zum Antrieb diente ein Segel. 1923 kaufte Hendrikus Cornelis de Beijer das Schiff (er besaß mehrere Schiffe) und nannte es nach seiner Ehefrau Hendrika Maria.

Das Ehepaar hatte zehn Kinder. Zwei ihrer Söhne, Hein und Thies (später kam ein dritter Sohn – Bernhard – als Ersatz für den inzwischen verheirateten Hein dazu), übernahmen die Hendrika Maria. Fortan transportierten die Brüder Sand auf dem Segelfrachtschiff, das sie „Hema“ nannten.

1945 bekam die Hendrika Maria einen Motor, das Segel war nun Geschichte. Inzwischen ist Bernhard alleiniger Besitzer des Schiffes. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Die Familie lebt hier an Bord. Während ab 1949 seine Familie an Land zieht, bleibt Bernhard – assistiert von einem Helfer – an Bord. Dieser Helfer übrigens, er heißt Jan, besuchte 2005 van Loon in seinem Museumsboot.

Als das Schiff ein Maleratelier war

1967 stirbt Bernard bei einem Verkehrsunfall. Seine Witwe verkauft das Schiff an eine Reederei. Hermann Stoel, ein Maler, entdeckt das Schiff in der Werft und kauft es. Die Hendrika Maria ankert nun in einem See bei Haarlem. Hermann Stoel macht aus dem Schiff ein Studio. Bei geöffnetem Dach nutzt der Maler das Sonnenlicht.

Bis 1975 lebt der (inzwischen verstorbene) Maler an Bord, dann verkauft er das Boot an Wouter Freelings. Ein 20-Jähriger mit gutem Bankkonto. Er baut die Hendrika Maria dann zum Hausboot um, setzt einen neuen Motor ein und fährt mit dem Schiff los. Mal bleibt er hier eine Zeit, dann dort. Wouter ist überall in den Niederlanden unterwegs. 1982 verkauft Wouter die Hema und kauft sich ein anderes Schiff.

Heute lebt er als Landwirt in Frankreich. Paul van de Zwart, Mitarbeiter in einer psychiatrischen Anstalt, kauft das Boot. Gemeinsam mit seinem Vater restauriert er das Hausboot, baut zum Beispiel die Dusche ein. Dann, 1997, verkauft auch er die Hendrika Maria.

Nun tritt Vincent van Loon ins Geschichtsbuch des Hausbootes. Der damalige Lehrer war 1989 aus Tansania zurückgekehrt und lebte auf einem Hausboot in Amsterdam. Schon länger plante er, ein Hausbootmuseum zu errichten. Insbesondere das Interesse der Touristen am Leben auf Hausbooten war ihm aufgefallen. Als die Hendrika Maria zum Verkauf steht, greift er zu. Zwischen April und September des Jahres lässt er das Boot restaurieren, legt selbst vielfach die Hand mit an. Seitdem liegt das Museumshausboot an der Liegestelle der Prinsengracht.

Wir sind am Bug des Schiffes angekommen. In einem kleinen Raum zeigt eine Diashow Bilder von Hausbooten, demonstriert die unterschiedlichsten Bauweisen.

Spezialpumpe im Bad

Eine Tür an der Seite bleibt für Besucher verschlossen. Hier ist das Bad. So eines, wie es alle modernen Hausboote haben. Eine Dusche und eine Toilette gibt es hier. Neben der Toilette steht eine empfindliche Spezialpumpe. Die zerkleinert alles und presst das Abwasser durch eine dünne Leitung zum Abwasserkanal. Durch ein Fenster schaue ich in den beleuchteten Bug des Schiffes. „In der Koje dort“, sagt van Loon und zeigt in die Ecke neben dem Schrank für die Ankerkette, „schlief früher Jan, der Knecht sozusagen.“ Übersät ist die Schiffswand hier mit Nieten. „Als das Schiff gebaut wurde, hat man noch kein Schweißen gekannt. Die Metallplatten des Schiffes wurden mit ihnen zusammengehalten“, erklärt van Loon.

Stimmen sind aus Richtung Küche zu hören. Neue Besucher kommen über den Steg an Bord. Ich verabschiede mich von Vincent van Loon. Er wird sich nun um die neuen Gäste kümmern. Von Land aus betrachte ich nochmals die Hendrika Maria. Touristengruppen ziehen vorbei, Fahrräder klingeln. In diesem Augenblick sehne ich mich nach dieser Oase der Ruhe an Bord des Hausbootes von Vincent van Loon zurück.

Infos
Houseboatmuseum
Prinsengracht 296 K

Hier geht es zur deutschsprachigen Webseite des Hausbootmuseums

Vielen Dank an Iamsterdam für die Unterstützung

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