Der Begijnhof in Amsterdam

Der Begijnhof in Amsterdam. Hier lebte eine verschworene Frauengemeinschaft des Ordens der Beginen.

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Amsterdam, am Spui. Von dieser Straße aus betritt man den Begijnhof, (deutsch: der Beginenhof), einer der schönsten der Höfe in Amsterdam.

Ein wenig schaudert mir schon. Durch den versteckt liegenden Torbogen führt der schmale kurze Tunnel zu einer Treppe. Wenige Stufen steige ich abwärts – und stehe auf dem Boden des Mittelalters, rund einen Meter unterhalb des heutigen Straßenniveaus von Amsterdam. Mein Blick schweift durch den Begijnhof, einen der Hofjes (der Innenhöfe), inmitten der lebendigen Stadt. Es ist der einzige mittelalterliche Innenhof Amsterdams – und der hat einige Schätze und Geschichten.

Da drüben, dort wo die kleine Kapelle auf der Rasenfläche steht, muss der Grabstein sein, überlege ich. Cornelia Arens wurde hier 1654 beerdigt. Neben der Kapelle. In der Gosse. So wie die Begine es vor ihrem Tod gewünscht hatte. Die Katholikin wollte es so aus Buße und Scham. Ihre Eltern nämlich waren zum Protestantismus konvertiert und die ehemals katholische Kapelle im Hofje nun in Hand der Calvinisten.

Cornelia Arens Wunsch nach dem Gossengrab hat man zunächst nicht erhört, sondern sie in der Kapelle begraben. Doch am nächsten Morgen stand ihr Sarg wieder auf dem Weg, in der Gosse. Man beerdigte sie wiederum in der Kapelle, doch im nächsten Morgengrauen entdeckte man den Sarg wiederum draußen. Da erfüllten die anderen Beginen den Wunsch der Toten und beerdigten sie in der Gosse; zumal man erzählte, die Tote wandere nachts als Geist durch den Hof.

Bis heute werden an Cornelia Arens Todestag übrigens Blumen an ihrem Grabstein an der Bordsteinkante (dort ist ihr Name in Stein geritzt) abgelegt. Vergissmeinnicht seien es, erzählt eine Bewohnerin. Die Geschichte der Cornelia Arens ist die bekannteste, die hier um den Begijnhof kreisen. Denn das Hofje ist bis heute nicht nur das interessanteste in Amsterdam. Es ist auch das schönste und älteste.

Hier erhebt sich nicht nur die alte Kapelle, sondern hinter zwei Hausfronten versteckt liegt eine sogenannte katholische „Geheimkirche“. Und eines der ältesten Holzhäuser der Niederlande steht gleich daneben. Bewohnt werden die Häuser heute von rund 100 Frauen. Männer wohnen hier nicht.

Ich setze mich auf eine Holzbank unter Bäumen gleich neben der Kapelle. Sie gehört heute der Reformierten Kirche. Mein Blick tastet die ungleichen Fassaden der Wohnhäuser ab.

Eine religiöse Frauen-WG des Mittelalters

Dass Frauen hier leben, ist bereits seit mindestens 1346 so. In dem Jahr jedenfalls ist der Name des Begijnhofs erstmals urkundlich erwähnt. Die stolzen Häuser um den Hof, errichtet in ehemals sumpfigem Gelände, gehörten frommen Frauen, die hier zusammen lebten. Kein Orden, sondern eher eine religiöse Frauen-WG des Mittelalters. Die Beginen-Bewegung war im 12. Jahrhundert in Deutschland (entstanden im Raum Köln), den Niederlanden und Belgien zu Hause. Diese eigentlich bereits sehr emanzipierten Frauen, meist Witwen und unverheiratete, bildeten eine christliche Hausgemeinschaft ohne Klostergelübde. Sie gehörten keinem Orden an, waren also Laien.

Ein keusches, frommes Leben

Wer in einem Beginenhof lebte (auch Männergruppen in eigenen Hofjes gab es), führte ein frommes, keusches, eheloses Leben ohne persönlichen Besitz in dieser ordensähnlichen Gemeinschaft, in der viel gebetet wurde und deren Mitglieder in der Krankenpflege, Erziehung oder als Leichenwäscherinnen arbeiteten. Eine Besonderheit war, dass die Mitglieder jedes Jahr frei entscheiden konnten, ob sie weiterhin der Gemeinschaft angehören wollten oder auszogen und zum Beispiel heirateten. Jede Gemeinschaft war selbständig und wählte jährlich als Chef eine „Meisterin“.

Den deutschen Bischöfen gefiel die Existenz der Beginen-Bewegung gar nicht. Beginen waren dann während der Inquisition ebenfalls Opfer von Hinrichtungen oder wurden vertrieben. Während überall die Beginenhöfe geschlossen wurde, überlebten jene in den Niederlanden, da der Papst sie hier gegen den Widerstand der deutschen Bischöfe schützte. So überstand auch der Begijnhof in Amsterdam die Jahre der Verfolgung.

Das älteste Holzhaus der Niederlande

Zweimal wird der Begijnhof, der aus Holzhäusern bestand, im 15. Jahrhundert durch Feuer zerstört. Erst nach dem zweiten Brand errichtet man Häuser aus Stein, die bis heute das Hofje bilden. Ich stehe inmitten der Fassaden aus Stein vor einem Holzhaus, dem „Houten Huys“ . Natürlich ist es restauriert. Das Haus stammt von 1528 und gilt als das älteste Holzhaus der Niederlande. Die Tür zu den beiden Nebenhäusern steht offen. Was von außen wie zwei Wohnhäuser wirkt, hat ein Geheimnis. Bis 1578 nämlich war Amsterdam eine katholische Stadt. Dann übernahmen die Protestanten die Macht. Alles Katholische wurde verboten. Auch den Beginen nimmt man ihre Kapelle weg. Englische Calvinisten ziehen dort ein. Die Kirche heißt nun „Church of England“.

Die „Geheimkirche“ der Beginen

1671, im Hofje leben zu der Zeit 150 Beginen und zwölf Witwen, baut ein katholischer Architekt den Frauen eine neue Kirche. Und das sogar mit Genehmigung des Stadtrates. Einzige Bedingung: die Kirche darf von außen nicht zu sehen sein. Also errichtet der Architekt die Kirche hinter den Fassaden von zwei Wohnhäusern. Die nun entstandene Kapelle, die „Geheimkirche“, wird Johannes dem Evangelisten und St. Ursula gewidmet. Die Kapelle hat eine zweiteilige Galerie, die auf sechs Holzsäulen steht. Die Fassade mit Spitzbogenfenstern stammt aus dem 19. Jahrhundert.

1971 starb die letzte Begine

Die Kirche verlassend betrachte ich die Statue einer Begine auf dem Rasen neben der Kapelle. Sie erinnert an die ehemaligen Bewohnerinnen. Denn Beginen gibt es hier schon lange nicht mehr. 1971 ist die letzte der Gemeinschaft verstorben.

In der 80er Jahren wurde die Anlage restauriert. Hinter den Fassaden vergrößerte man die kleinen Wohnungen, die oft nur aus einem Raum bestanden, zu großen Räumen.

Eingezogen sind dort inzwischen Frauen. Bis heute ist der Begijnhof in weiblicher Hand. Junge und alte Frauen, Studentinnen, Singles und Witwen leben dort. Nur keine Männer und keine Kinder.

Durch ein zweites Tor verlasse ich die Anlage. Eine ältere Frau erledigt Gartenarbeit, eine jüngere schiebt ihr Fahrrad zum Tor hinaus. Sie nickt freundlich. Touristen ist man hier gewohnt. Die Bewohnerinnen wissen schließlich, dass sie in einer richtigen Sehenswürdigkeit wohnen. In einem ruhigen Paradies inmitten der lebhaften Stadt.

Infos
Hier geht es zur Webseite der Kirchengemeinde auf dem Begijnhof

Für die Öffentlichkeit (bis auf einen privaten Bereich) zugänglich. Eintritt: frei. Den unscheinbaren Eingang erreicht man vom Spui aus.

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