Wismar ist die Stadt des Horrors. Des Gruselns. Aber nur in cineastischer Hinsicht. Denn Filmkenner wissen: In Wismar wurde einer der ersten Horrorfilme der Filmgeschichte gedreht. Der erste “Dracula-Film”. Sein Titel: “Nosferatu”. Das war 1921. Der Regisseur Friederich Wilhelm Murnau beeinflusste mit diesem inzwischen als Filmklassiker geltenden Stummfilm das Horrorkino bis zum heutigen Tag.
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In Wismar liegen die Drehorte von NOSFERATU – dem 1. Horrorfilm des Kinos |
Eine der Bodenplatten in Wismar, die an Nosferatu erinnern |
Drehorte von “Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens” in Wismar
“Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens” mit der dämonischen Hauptfigur Nosferatu und einer filmischen Inszenierung, die traumartig wirkt und die gequälten Seelenzustände ihrer Darsteller eindrucksvoll wiedergibt, gilt als eines der wichtigsten Werke des Kinos der Weimarer Republik. In Wismar selbst kann man stolz sein auf diese Kinovergangenheit. Immerhin mehrere Tafeln auf Plätzen und Gehwegen zeigen an, dass an diesen Stellen 1921 Szenen für “Nosferatu” gedreht wurden.
Im Film Wisborg, in Wirklichkeit Wismar. Der Markt heute, echts die Wasserkunst |
Der Dracula-Roman von Bram Stoker war die Vorlage
Die Story von “Nosferatu” ist eine Adaption des bekannten Dracula-Romans von Bram Stoker, weswegen es um Urheberrechtsverletzungen auch später Prozesse gab (die Murnau übrigens verloren hat; die Filmkopien hätten laut Richter vernichtet werden müssen; der Film überlebte aber u.a. wegen der vielen bereits existierenden Kopien).
Murnaus Nosferatu-Story: Ein Chronist berichtet, wie im Jahr 1838 die Pest in die Hafenstadt Wisborg kam. Der Häusermakler Knock bekommt von einem Grafen Orlok aus den Karpaten den schriftlichen Auftrag, für ihn ein Haus in Wisborg zu suchen. Der Maklergehilfe Thomas Hutter reist zu Orlok in die Karpaten, um ihm ein halbverfallenes Haus gegenüber Hutters Wohnung anzubieten. Graf Orlok, ein Vampir, sieht bei Hutters Besuch ein Foto von dessen Frau Ellen – und unterschreibt den Kaufvertrag für das Haus. Hutter erkennt, dass es sich bei Orlok um einen Vampir handelt, flieht aus dessen Schloß und macht sich auf den Heimweg nach Wisborg. Dort ist Orlok schon mit einem Schiff voller Ratten angekommen. Während Orlok sein Haus bezieht, bringen die Ratten die Pest nach Wismar.
Die Marienkirche in Wismar heute. Nur der Turm steht noch |
Als Hutter nach Hause kommt, erzählt er seiner Frau Ellen, dass nur ihr freiwilliges Opfer die Stadt retten und den Vampir vernichten kann. Sie müsse ihn von ihrem Blut trinken lassen, so dass er die Morgensonne vergesse. So geschieht es auch. Am Ende ist Ellen tot und Orlok von den Sonnenstrahlen pulverisiert worden.
Ein Filminhalt, der 1922 überaus gruselig war und durch die filmische Umsetzung im Stil des Expressionismus für viel Aufmerksamkeit sorgte.
Wismar wurde zu Wisborg
Murnaus Filmstadt Wisborg ist Wismar. Die Eingangsszene des Films zeigt den Marktplatz der Stadt mit der Wasserkunst – einem Wasserverteilsystem aus dem Mittelalter – im Mittelpunkt. Murnaus Kameramann drehte die Szene vom Turm der Marienkirche aus. Im Bild sieht man übrigens einen kleineren Kirchenturm im Bild. Das Schiff der Marienkirche wurde 1960 vom DDR-Regime gesprengt. Nur der Turm blieb stehen, weil ihn Schiffe zur Navigation brauchten. Der Turm steht bis heute, die Grundmauern des Kirchenschiffs wurden knapp einen Meter hoch wieder hochgezogen, um die Ausmaße der Marienkirche zu zeigen.
Wismars Hafen heute |
Wenn Graf Orlok durch die Stadt schleicht
Während der Markt mit der Wasserkunst und den Häusern herum aussieht wie im Drehjahr 1921, fehlt beim Blick vom Turm der Marienkirche der kleine Turm im Bild. Er stand auf dem Chor des Kirchenschiffs und ist natürlich bei der Sprengung vernichtet worden. Auch am Kirchenschiff drehte Murnau eine Szene. Der Vorplatz zur Kirche zeigt im Film einen mit seinem Sarg durch schleichenden Nosferatu auf dem Weg zu seinem Haus.
Nosferatu an der Heilig Geist Kirche
Ein weiterer Drehort von Nosferatu liegt im Hof der Heilig-Geist-Kirche. Der ist hinter einem Eingangstor von Gebäuden (einem ehemaligen Spital für Kranke) umstanden und hat an der Seite einen Brunnen. Den Hof nutzte Murnau für zwei Szenen. Einmal die Aufbruchszene von Hutter in Richtung Karpaten und dann mit dem zu seinem gekauften Haus schleichenden Nosferatu. Der Hof der Heilig-Geist-Kirche dient übrigens auch heute als Drehort. Hier dreht das ZDF die Serie SOKO Wismar. Das Tor zum Hof ist hier der Zugang zum Polizeirevier.
Mit der Empusa in den Hafen
Auf der Ostsee vor Wismar drehte das Filmteam ebenfalls. Im Film kommt der Segler “Empusa” im Hafen an. An Bord Graf Orlok und die pestbringenden Ratten. Im August 1921 ließ Murnau den Schoner “Jürgen” aus Wismar bis hinter die Insel Poel (also in die Hafenzufahrt) schleppen, um dort die Anfahrt der Empusa auf Wisborg filmisch umzusetzen. Im Film zu sehen ist die Szene, als die Empusa Wisborg ansteuert. Bei der Einfahrt in den Hafen ist deutlich das Stadtpanorama mit der Georgskirche zu sehen.
Das Wassertor heute |
Mit dem Schlafsarg durch das Wassertor
Eine weitere, um die vielleicht eindrucksvollste Wismarer Szene, wurde am Stadttor am Hafen, dem Wassertor, gedreht. In “Nosferatu” schreitet hier Orlok mit seinem Sarg, in dem er tagsüber schläft, von Bord der Empusa kommend in die Stadt Wisborg. In den Filmaufnahmen sieht man deutlich, dass die Empusa gleich auf der anderen Seite des Stadttors ankert. Kein Wunder. Denn 1921 reichte das Hafenbecken tatsächlich bis dahin. Heute sieht der Hafen an dieser Stelle anders aus.
Nosferatu – ein Meisterwerk des frühen Kinos. Schön, dass sich Wismar dieses Films erinnert und mit Hilfe von Bodenplatten auf die Drehorte hinweist. Gleiches nämlich sucht man zum Beispiel in Lübeck, wo Murnau ebenfalls drehte, vergeblich.
Alex D says:
Sehr cooler Bericht!
Ich habe in Wismar ebenfalls alle Drehorte aus dem Film besucht, ibs. im Kirchenhof waren die alten Tage des Films für einen kurzen Moment greifbar. Genial! Dann vor meiner Abreise habe ich versucht irgendetwas von Nosferatu zu erwerben. 😉 Auch wenn jeder Händler Nosferatu kannte, gab es nirgendwo von ihm etwas zu bekommen (Poster etc.) Arrgghh, haha.
Danke für den Artikel (Y)