Göttingen | Wo Heinz Erhardt und Hans Albers Kinofilme drehten

Göttingen, das "Hollywood an der Leine"

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Die Universitätsstadt Göttingen in Niedersachsen als Filmstadt und Drehort? Ja, das war sie tatsächlich. Nämlich in den 50er Jahren. Da waren die Göttinger Filmstudios sogar sehr bekannt. Denn in Göttingen drehten die Kinofilmstars der 50er ihre Kinofilme.

Polizeihauptwachtmeister Eberhard Dobermann kennt jeder, der die deutschen Filme der 50er Jahre mag. Heinz Erhardt verkörpert den Polizisten, der auf einer Kreuzung den Verkehr regelt. Er will den Führerschein machen und trifft dabei in köstlichen Szenen auf den Fahrlehrer Peter Frankenfeld und eine herrliche Trude Herr.

Gedreht wurde „Immer die Autofahrer“ 1959 in der südniedersächsischen Unistadt Göttingen. Und wer den Film schaut, erkennt auch heute noch in Göttingen problemlos einige der Drehorte. Ebenso verhält es sich mit anderen Kinohits der 50er Jahre. Nicht nur Filme mit Heinz Erhardt, auch die mit anderen Stars der 50er, wurden in Göttingen deutsche Kinogeschichte geschrieben. Über 100 Filme entstanden hier..

Göttingen, das Hollywood an der Leine

Heute aber erinnert kaum noch etwas an die Jahre zwischen 1945 und 1960, als in Göttingen das „Hollywood an der Leine“ existierte. Der 2. Weltkrieg war gerade vorbei, Deutschland lag größtenteils in Trümmern, da fassten im Sommer 1945 die Studienfreunde Hans Abich und Rolf Thiele den Entschluss, ein Filmstudio aufzubauen.

Als Standort suchten sie sich dafür die südniedersächsische Universitätsstadt Göttingen aus. Der Grund: Abichs Tante hatte ein Haus an der Göttinger Wöhlerstraße, das dann der Firmensitz wurde. Der Name der Firma lautete „Filmaufbau GmbH“ und wurde im Herbst 1946 von der britischen Militärregierung genehmigt.

Thiele wandte sich der Regie zu und Abich war der Produzent. Ihn interessierten besonders Werke der deutschen Literatur.

Draußen vor der Tür

„Liebe 47“ hieß der erste Film, der in Göttingen produziert wurde. Wolfgang Liebereiner führte Regie. Es war die Verfilmung von Wolfgang Borcherts Stück „Draußen vor der Tür“. Der Film wurde im Kino übrigens ein Flop.

Aus finanziellen Gründen wurde 1949 die Produktionsfirma aus der Atelierfirma herausgelöst. Es gibt nun zwei eigenständige Firmen. Die „Filmaufbau Göttingen“ und die „Filmatelier Göttingen“. Abich produzierte über 30 Spielfilme, unter anderem eben „Liebe 47 „, dann „Nachtwache“, „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (1957), „Wir Wunderkinder“, „Buddenbrooks“ (1959) und „Königliche Hoheit“, beide nach Thomas Mann.

1960 ging Abich dann als Berater zu Radio Bremen, 1961 wurde er dort Programmdirektor, 1968 Intendant. Von 1973 bis 1978 war er ARD-Programmdirektor (er entwickelte übrigens die „Tagesthemen“).

Das Mädchen Rosemarie

Rolf Thiele führte 1951 zum erstmals Regie. Der Film hieß „Primanerinnen“; Walter Giller spielte in ihm seine erste Hauptrolle. Mit Nadja Tiller drehte er mehrere Filme. Zum Beispiel „Das Mädchen Rosemarie“ und „Lulu“. Weitere Filme, in denen er Regie führte, waren „Grieche sucht Griechin“ mit Heinz Rühmann, „Die Ente klingelt um halb acht“ ebenfalls mit Heinz Rühmann sowie „Die Halbzarte“ mit Romy Schneider und Magda Schneider.

Die „Filmaufbau“ siedelte dann 1960 von Göttingen nach München über. In den 1960ern und 1970ern war die Firma noch an einigen Koproduktionen beteiligt, darunter „Tonio Kröger“. Der Nachlass der Filmaufbau ist 1991 an die Hannoveraner „Gesellschaft für Filmstudien“ gegangen.

Die Stars der 50er kamen nach Göttingen

In den Jahren zwischen 1947 und 1960 wurden mehr als 100 Filme in Göttingen, dem „Hollywood an der Leine“, produziert. Bekannte deutsche Schauspieler wie Hansjörg Felmy, Heinz Erhardt, Walter Giller, Peter Frankenfeld, Lil Dagover und Gustav Knuth, Dieter Borsche, Maria Schell und Inge Meysel drehten in der Universitätsstadt.

Zum Drehen braucht man natürlich ein Filmstudio. Das Gelände dafür fanden die Filmaufbaugründer in Göttingen-Grone, wo ein alter Flugplatz aus der Weltkriegszeit existierte. In den noch stehenden Gebäuden des alten Militärflugplatzes am Elliehäuser Weg im Stadtteil Grone zog die Filmaufbau ein. Zudem nutzte man die von Zerstörung weitgehend verschont gebliebene Innenstadt von Göttingen zum Drehen.

Frauenarzt Dr Praetorius

Filme wie „Frauenarzt Dr. Prätorius“ (1950), „Die spanische Fliege“,“Nacht fiel über Gothafen“, „Hunde wollt ihr ewig leben“, „Der müde Theodor“, „Rot ist die Liebe“ (1957) – sie alle, Kino-Höhepunkte der 50er Jahre – und noch viel mehr entstanden in den folgenden Jahren in Göttingen.

Highlights der Zeit dürften wohl eine ganze Reihe Komödien mit Heinz Erhardt gewesen sein. Hauptsächlich in Göttingen gedreht wurden Heinz-Erhardt-Klassiker wie „Drillinge an Bord“, „Der müde Theodor“ (mit Peter Weck, Karin Baal, Werner Finck und Wolfgang Neuss) , „Witwer mit 5 Töchtern“, „Der letzte Fußgänger“, und natürlich „Natürlich die Autofahrer“ (mit Peter Frankenfeld, Trude Herr, Edith Hancke und Ralf Wolter).

Das Filmgelände auf dem Militärflughafen

Das Filmgelände lag dort, wo heute ein Industriegebiet liegt, im Stadtteil Grone. Angeblich steht noch eine der ehemaligen Produktionshallen. Sie gehört heute zu einer Firma, die Halle wird von dem Unternehmen anderweitig genutzt. Die ehemalige Beleuchterbrücke aber soll in der Halle noch existieren. Ansonsten sind hier keine Spuren der Filmaufbau mehr zu finden.

An der Industriestraße steht ein länglicher zweistöckiger Bau, der an ein kleines Hotel erinnert. Bis vor kurzem war dort das THW untergebracht. Baumängel machten einen Umzug notwendig, das Gebäude selbst wird bald nicht mehr existieren. Schade eigentlich, denn auch hier wurde sozusagen Filmgeschichte geschrieben. Das Gebäude gehörte der Filmaufbau und diente als Gästehaus. Hier waren alle die großen Schauspieler der 50er Jahre untergebracht, wenn sie in Göttingen drehten. Hier also gingen Heinz Erhard, Peter Frankenfeld usw täglich ein und aus.

Im Zentrum von Göttingen, an der Prinzenstrasse, steht ein Haus, das heute einen Supermarkt beheimatet. Früher war dort ein Kino. Das „Capitol“. Das war das Premierenkino; viele der deutschen Kinoerfolge erlebten hier, in Anwesenheit der Schauspieler, ihre Premiere.

Hans Albers in Göttingen

Einige Orte, an denen in Göttingen Filme gedreht wurden, kann man ohne weiteres finden. So zum Beispiel Drehorte aus „Der tolle Bomberg“ von 1957 mit Hans Albers. Szenen wurden in der Innenstadt und vor dem Deutschen Theater aufgenommen.

„Rot ist die Liebe“ mit Dieter Borsche als Heidedichter Hermann Löns wurde 1957 in der Lüneburger Heide gedreht. Die Innenszenen entstanden im Göttinger Filmstudio, die Eingangsszene (man feiert den 40. Geburtstag von Hermann Löns) wurde in Göttingen, im Walkemühlenweg, gedreht.

Hunde wollt ihr ewig leben?

Als Kriegsfilm gilt „Hunde wollt ihr ewig leben“ von 1959 mit Wolfgang Preiss, Horst Frank, Günter Pfitzmann und Sonja Ziemann. Dort, wo bis heute die Festakte der Göttinger Universität stattfinden, nämlich in der Aula am Wilhelmsplatz, mitten in der Altstadt, drehte man eine bekannte Szene. Das Gebäude nämlich wird im Film zu Ortskommandantur Charkow.

Natürlich die Autofahrer

Der heute noch meistgesehene Film, der in Göttingen gedreht wurde, aber ist Heinz Erhardt in „Natürlich die Autofahrer“. Zwei Drehorte kann man, neben Polizist Dobermanns Wohnhaus (es liegt im Süden der Stadt) leicht finden. Das ist einmal der Platz vor dem Deutschen Theater. Hier nämlich endet im Film die Verfolgungsjagd. Begonnen hat die Verfolgung übrigens mit Szenen, die im 60 Kilometer entfernten Kassel aufgenommen wurde.

Der zweite bekannte Drehort ist die Kreuzung vor dem Unigelände, das Weender Tor. Hier nämlich steht Dobermann während des Films und regelt den Autoverkehr.

Heinz Erhardt zu Ehren ist nicht nur der Platz nach ihm benannt, hier steht auch eine lebensgroße Figur, die Heinz Erhardt beim Regeln des Verkehrs zeigt.

 

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