Moormuseum Moordorf: Im „Museum der Armut“ | Ostfriesland

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Im Moormuseum in Moordorf bei Aurich sehen wir ein Freilichtmuseum, dass man hier „Museum der Armut“ nennt.

Auf unserem Weg durch den Norden von Deutschland kommen wir in Moordorf in einen Ort, der einmal als eines der ärmsten Dörfer in Deutschland galt.

Das Dorf Moordorf

Das Dorf Moordorf liegt etwa 6 Kilometer westlich von Aurich und 25 Kilometer östlich von Greetsiel und der Nordseeküste. Neben dem Dorf Moordorf liegt das Moormuseum Moordorf.

Moordorf selbst hat etwa 7000 Einwohner und ist heute ein normales großes Dorf mit modernen Häusern. Von dem, wie Moordorf einmal aussah, finden wir nur noch Spuren im Moormuseum. Errichtet und betrieben wird es von einem lokalen Verein.

Und das liegt in einem Moorgebiet neben dem Dorf. Ein Hochmoor. Es war mal bis zu 12 Meter mächtig. Jetzt sind es noch vier Meter. Neben dem Museum ist heute ein Kanal. Der zieht das Wasser aus dem Moor, das um die 10 000 Jahre alt.

Der Schwarze Weg

In der Ausstellungshalle gibt es unter anderem auch Filme über das frühere Leben im Dorf und über das Museum zu sehen.

Hier im Museum machen wir sozusagen eine Zeitreise. Und die beginnt vor über 250 Jahren. Zu der Zeit war hier ein Moorgebiet. Nur ein Post- und Handelsweg führte durch dieses Moor. Sein Name: Schwarzer Weg.

Die Gründung von Moordorf

Im Jahr 1767 war Ostfriesland eine preußische Provinz. König Friederich II. hatte das Urbarmachungsedikt erlassen. Damit waren die nicht urbar gemachten Moorflächen nun Eigentum des Staates. Der König förderte die Kolonisierung der Moore. Die nämlich sollten so kultiviert werden.

Es wurden Siedlungsgebiete an Siedler verteilt. Im Fall von Moordorf waren die ersten Siedler ehemalige Soldaten und mittellose Tagelöhner aus Ostfriesland. Die Preußen lockten sie mit der Hoffnung auf eine eigene Landstelle nach Moordorf.

Moordorf: Siedler am Schwarzen Weg

Zunächst sollte hier Buchweizen angebaut werden, später Hafer und Roggen. Dann sollte Torf gestochen werden, mit dem man heizen und verkaufen konnte.

Die Grundstücke für die Siedler vergab man entlang des Schwarzen Weg. Moordorf war also am Anfang ein Straßendorf. Der Name der Siedlung: „Kolonie am Schwarzen Weg“.

Die ersten Hütten

Die ersten Siedler lebten in sogenannte Soden- oder Plaggenhütten. Diese Hütten waren ärmlich. Denn das „Projekt Moordorf“ scheiterte. Die Parzellen waren viel zu klein, um die Siedler zu ernähren, der Boden war für Landwirtschaft kaum tauglich, die Siedler hatte keine Erfahrung beim Torfabbau und das Moor hätte entwässert werden müssen. Dazu aber fehlte ein Kanal, den man dann auch als Transportweg für den Handel hätte nutzen können.

Das tat der König aber nicht. Kein Geld. Die Kasse war wegen des Siebenjährigen Krieges leer. Also überließ man die Siedler sich selbst. Man vergaß sie.

Armut in Moordorf

Der Buchweizen reichte zur Ernährung nicht, man ernährte sich z.B. auch von Vogeleiern. Die Siedler nagten am Hungertuch, versuchten es mit Betteln in Dörfern und bei Reisenden.

Viele Kolonisten versanken in Armut. Das Dorf der Armut entstand. Der Ort gehörte damals zu den kinderreichsten und gleichzeitig ärmsten Dörfern Deutschlands.

Erste Hütten aus Lehm

Erst um 1900 sollten sich die Lebensverhältnisse bessern. Inzwischen lebte hier bereits die 3. Generation der Siedler. Nun hatte man den Boden so weit abgetragen, dass man an die darunterliegende Lehmschicht kam. Aus diesem Lehm baute man fortan die Häuser. Lehmhütten, gebaut aus Lehm und Stroh.

Alle Häuser im Moormuseum sind rekonstruiert. Denn die Originalhütten des Dorfes sind weg. Bis in die 1950er Jahre, also vor etwa 70 Jahren, wohnte man in Lehmhütten.

In den 1960er Jahren brannte die letzte der Hütten ab. Die heutigen Rekonstruktionen entstanden nach den Fotos eines Lehrers, die er hier 1925 gemacht hatte.

Der Kanalbau

Erst 100 Jahre nachdem die ersten Siedler in Moordorf angekommen waren, wurde der Abelitz-Moordorf-Kanal gegraben. Um 1900 war er fertig. Erst jetzt wurde das Moorgebiet entwässert. Das Moor wurde trocken. Jetzt konnte der Torf auch verkauft werden. Mit Schiffen wurde er transportiert. Handelsware wurde geliefert. Unter anderem Schlick, mit dem man den Ackerboden verbessern konnte.

Der 1. Weltkrieg führte in Moordorf wieder zu Geld- und Materialmangel. Noch 1925 wurden in Moordorf Lehmhütten als Wohnhäuser gebaut.

Kinder in der Warteschule

Als der Kanal gebaut wurde, arbeiteten viele der Moordorfer Männer auf der Baustelle. Somit mussten sich die Frauen um Haus, Acker und die Kinder kümmern. Folge war, dass kleine Kinder, die noch nicht zur Schule gingen, sich selbst überlassen wurden.

Ein Pastor kaufte ein Haus und richtete darin die „Warteschule“ für die Kleinen ein. Eine Kinderbewahranstalt. Hier lernte sie zum Beispiel Matten aus Stroh zu flechten.

Steinhäuser zeigten ersten Wohlstand

Mit Torfverkauf verdiente man etwas Geld. Man war nun „steinreich“. Das heißt, man konnte sich Steine leisten. Die Lehmbauten wurden mit Steinmauern umgeben. Statt des Strohdachs hatte man nun Tonpfannen.

Die Gemeinde Moordorf gehörte dennoch auch nach 1945 zu den ärmsten in Niedersachsen. Erst als in Emden ein Autowerk gebaut wurde, besserte sich die Lebenssituation grundlegend. Moordorf wandelte sich zur Arbeitersiedlung und ist heute ein relativ starkes Wirtschaftszentrum.

Das Moormuseum in Moordorf – ein Ausflug in die Geschichte, aber auch die soziale Geschichte in Deutschland.

Das anderswohin-Video über das Moormuseum

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