Mötley Crüe: Bässe, Achterbahn und Brüste

Beim Konzert von Mötley Crüe in Mönchenglabach

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Dunkle Wolken über dem Hockeypark. Den knapp 7000, die in Mönchengladbach Mötley Crüe sehen und hören wollen, ist das egal. Ein heißer Rockabend steht an. Glam-Metal verspricht die US-Gruppe.

Die Kleine im engen schwarzen T-Shirt, die ihre langen dunklen Haare im Wind fliegen lässt, denkt das auch. Sie steht mit ihren Freunden zwei Reihen vor mir. Knapp über 20 mag sie sein. Als sie geboren wurde, gab es Mötley Crüe schon zehn Jahre.

Gang fights
Fatal strikes
We lie on the wild side
No escape
Murder rape
Doing time on the wild side
A baby cries
A cop dies
A day’s pay on the wild side
Wild side
Wild side
Tragic life on the wild side
Wild side
Wild side
Kickin‘ ass on the Wild Side
Gewalt, Frauen, Alkohol

Mit den ersten Zeilen ist eigentlich alles klar. Bei Mötley Crüe (sollte Glam-Metal als Schublade wirklich stimmen?) geht es um Rock n Roll. „Wild Side“ – das Leben aus einer anderen Perspektive. Gewalt, Frauen, Alkohol, Motorräder, Autos, Drogen, Rockmusik. Die ganze Bandbreite des Rock n´Roll-Feelings wartet auf uns.

Und dann rocken sie, der „kunterbunte Haufen (das heißt Mötley Crüe eigentlich), der vor 30 Jahren in Los Angeles gegründet wurde. Seit ihrer Reunion 2005 sind sie noch besser, denkt man bei den ersten Stücken schon. Wer die Texte nicht mitsingen kann, wiegt den Körper (oder zumindest den Kopf) im immer härter werdenden Takt. Dann die „Saints of Los Angeles“, eines der schönsten Stücke von Mötley Crüe, erschienen 2008.

So come right in
Cuz everybody sins
Welcome to the scene of the crime
You want it, believe it,
We got it if you need it
The devil is a friend of mine

Wer jetzt noch ruhig dasteht ist fehl am Platz. Die Dunkelhaarige bewegt sich im Rausch der Beats. Nieren, Leber und Milz berühren einander. Arme und Hände recken sich in den Abendhimmel. Nikki Sixx, Mick Mars, Tommy Lee und Vince Neil, das sind Mötley Crüe, beherrschen die Bühne – und ihr Publikum. Und das mit jedem Beben der Luft.

I was Smokin‘ in the boys room
Teacher don’t you fill me up with your rules
Everybody knows that smokin‘ ain’t allowed in school

Zu Mötley Crüe gehört Ungehorsam

Im Innenraum des Hockeyparks ist Rauchverbot. Aber wer soll sich daran halten? Zu Mötley Crüe gehört Ungehorsam….

Mötley Crüe (sie haben übrigens zwei sexy Backgroundsängerinnen, die auch tanzen können dabei) leben den Rock n´Roll. Nikki Sixx, der heute etwas unauffällig aber energisch seine Saiten bearbeitet, stand schon zweimal vor dem Tor zum Tod. In beiden Fällen war es eine Überdosis. Rockstars und Drogen – die Opfer füllen Bücher.. Seines über seine Drogenzeit heißt The Heroin Diaries: A Year in the Life of a Shattered Rock Star.

Die Kleine mit den dunken Haaren weiß das vermutlich nicht. Sie liebt die Musik. Das spürt man, wenn man ihren Bewegungen zusieht.

Seine Biografie ist Rock n`Roll. Brachial die Stimme von Sänger Vince Neil. Auch seine Biografie ist Rock n`Roll. Wegen Prügeleien und Drogenmissbrauch der Schule verwiesen, inzwischen zum 4. Mal verheiratet (seine 3. war übrigens Playmate); erst 2010 saß er 10 Tage im Knast – wegen Autofahrens unter Drogen. Auch Musik hat er schon immer gemacht. Er drehte einen Film, der nie eine Jugendfreigabe bekam, ließ sich für eine TV-Show kosmetisch operieren, fuhr Rennen in der Indy-Car-Serie, gründete eine Stiftung, die sich um krebskranke Kinder kümmert (eine seiner Töchter starb an Krebs), besitzt eine Charter-Fluglinie, hat ein Tatoo-Studio und eine Grill-Bar und er vertreibt „Tres Rios Tequila“.

Headbang. Jetzt wird Achterbahn gefahren. Am Schlagzeug Tommy Lee, die vielleicht schillernste Figur der Band. Sein Schlagzeug ist auf Schienen festgeschraubt. Ein Looping, wie bei einer Achterbahn. Sein Solo ist ein Konzerthöhepunkt. Festgezurrt auf seinen Sitz trommelt er was das Zeug hält und fährt dabei mit dem Schlagzeug auf der Loopingachterbahn. Er trommelt auch noch, als er und sein Schlagzeug kopfüber im Looping hängen. Nicht schnell, aber unaufhaltsam geht es den Looping rauf und an der anderen Seite wieder runter. Immer wieder. Tommy trommelt wie in Ekstase. „Fuck“ hört man ihn immer wieder schreien. Die Fans im Park toben.

Dann darf ein Fan mit Tommy Looping fahren. Die kleine Schwarzhaarige hat sich bestimmt auch gemeldet. Die Wahl aber fiel auf eine andere. Krissi heißt sie. Sie reißt die Arme hoch und lässt sich- hinter Tommy auf einem Sitz festgeschnallt – im Looping treiben, während Tommy („Oh, fuck“) das Schlagzeug bearbeitet.

Die Arme in den Abendhimmel gestreckt

Tommy Lee ist einer der besten Schlagzeuger überhaupt. Der Ex-Ehemann von Pamela Anderson (ja, der Baywatch-Schönheit, ja, der mit den Sexvideos und der Prügel) ist wie die anderen auf dem Rock n`Roll-Tripp. Im Oktober wird er 50. Er saß auch schon öfters im Knast (unter anderem wegen Prügeleien, Erregung öffentlichen Ärgernisses, etc.) zog sich früher bei Konzerten gern mal komplett aus, enterte schon mal ein Passagierflugzeug mit einer Pistole…

Die Arme sind in den Abendhimmel gestreckt die Mano cornuta, die Pommesgabel, wird gezeigt. Viele Kuttenträger sind im Innenraum. Die kleine Schwarzhaarige singt jeden Text mit.

He’s the one they call Dr. Feelgood
He’s the one that makes ya feel all right
He’s the one they call Dr. Feelgood
He’s gonna be your Frankenstein

Dr Feelgood – ein Riesenhit von Mötley Crüe. Er begeistert noch immer.

Fast unbeweglich steht Mick Mars auf der Bühne. Er gilt als einer der aggessivsten Gitarristen überhaupt. Inzwischen über 60 beherrscht er sein Instrument. Jeden Ton saugt man auf, lässt den Körper beben.

Zylinder, langer Frack, lange schwarze Haare

Mars leidet an einer Knochenkrankheit, die es ihm kaum noch möglich macht, sich zu bewegen. Mit Zylinder, langen Frack, langen schwarzen Haaren, spitzem Gesicht, gebeugt – die unglaublichen Töne seiner Gitarre entlockend – noch lange werde ich das Bild von Mars in Erinnerung behalten.

Dann Girls, Girls, Girls – einer der großen Hits. Die Schwarzhaarige hat sich von einem Freund auf die Schultern nehmen lassen. Sie winkt aufgeregt. Und dann, als Vince Neil in ihre Richtung schaut, tut sie es: Sie hebt ihr Shirt. Ihre nackten Brüste locken Richtung Bühne. Ob Vince es gesehen hat?

I’m such a good good boy
I just need e new toy
I tell ya what, girl
Dance for me, I’ll keep you overemployed
Just tell me a story
You know the one I mean
Girls, girls, girls

Der Hockeypark wirkt elektrisch geladen. Mötley Crüe hat alle im Griff. Niemand kann sich dem Sound entziehen.

When we started this band
All we needed, needed was a laugh
Years gone by…
I’d say we’ve kicked some ass
When I’m enraged
Or hittin‘ the stage
Adrenaline rushing
Through my veins
And I’d say we’re still kickin‘ ass
Kickstart my Heart

Als Mötley Crüe ihr Kickstart my Heart anstimmen (Nicki Sixx spuckt dabei dank eines technischen Tricks „Blut“), haben richtige Crüe-Fans schon das Weite gesucht. Einige Meter Abstand zu Bühne sollte man halten.

„Throwing buckets of fake blood on the crowd“ ist auf der Setlist notiert. Denn mit dem letzten Ton beginnt Crüe (und einige Rowdies) eimerweise (Kunst-) Blut über den Fans auszukippen. Den einen macht es Spaß, den anderen weniger. Crüe ist das egal. Der Schwarzhaarigen, die sich auch nach weiter hinten verzogen hat, auch. Alles Rock n`Roll eben.

Ooo, ahh, kickstart my heart
Hope it never stops
And to think, we did all of this…
To rock

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