„Die große Illusion“: Von Ritterlichkeit und Treue

Gedanken zum Kinofilm "Die große Illusion" mit Jean Gabin und Erich von Stroheim

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Ritterlichkeit, Anstand, Treue, Opferbereitschaft – gibt es das heute noch? Spielen diese tugendhaften Eigenschaften heute noch eine Rolle? Alles nur Die große Illusion?

Ich schätze es, Filmklassiker zu sehen. Hollywoodstreifen, deutsche Filme und auch französische. Dank SkyGo konnte ich mir heute noch mal „Die große Illusion“ ansehen. Vielleicht ist der Kinofilm von 1937 einer der besten, der je gedreht wurde. Jean Gabin, Pierre Fresnay und Erich von Stroheim spielten die Hauptrollen, Jean Renoir war der Regisseur.
Besonders gerne habe ich mir „Die große Illusion“ angesehen, weil ich vor knapp drei Jahren an einem der Hauptdrehorte war: die Burg Hohkönigsburg im Elsass, nicht weit von Colmar entfernt.

In Renoirs Film, der im 1. Weltkrieg spielt, ist Hohkönigsburg ein deutsches Kriegsgefangenenlager: die Festung Winterborn. Jean Gabin als Maréchal und Pierre Fresnay als de Boeldieu spielen zwei französische Offiziere, die als Gefangene nach Winterborn kommen, wo Erich von Stroheim der Lagerkommandant ist. Der gebürtige Österreicher, der im Film der 20er und 30er Jahre in den USA meist die Rolle des „bösen Deutschen“ (oft ein Offizier) spielte, trägt den Namen von Rauffenstein.

Klar geht es im Film um Fluchtversuche, von denen der letzte natürlich gelingt. „Die große Illusion“ aber ist ein Anti-Kriegsfilm. Vielleicht (für mich mit Apocalypse now“ zusammen) der beste überhaupt. Zumindest ließen Göbbels, die Franzosen und auch Mussolini den Film verbieten. Er könne die Moral der Truppe unterwandern, ahnte man.
Denn im Film wird klar, dass Franzosen und Deutsche sich gar nicht so fern sind. Sie sind keine Feinde. Gefangene und Bewacher verstehen sich gut. Man hilft sich. Und dennoch bleibt man militärisch korrekt. Befehl ist Befehl.

In der Welt der von Rauffensteins und de Boeldieus

Doch dieser Pazifismus, der zeigt, dass zwischen Deutschland und Frankreich die Nationengrenze eigentlich unwichtig ist, der Kern des Films ist das nicht.
Der Unterschied zwischen den Menschen ist nicht ihre Nation. Es ist der Stand. Von Rauffenstein und de Boeldieu sind alter Adel. Sie leben gegenüber den anderen Nicht-Adeligen in ihrer eigenen Welt.

Nun spielt der Film zwar vor 1918, wurde aber 1937 gedreht. Renoir wusste also bereits wie die Geschichte weitergeht. Der Kaiser und der Adel dankten ab.

Von Rauffenstein und de Boeldieu wissen um ihre Zukunft. Der Franzose hat sich mit der Zukunft abgefunden, von Rauffenstein will an den alten Standes-Prinzipien festhalten, ahnt aber auch das kommende Ende der alten Zeit. Ihren Untergang und den ihres Standes, ihrer Welt ahnend, spielen beide ihre Rolle zu Ende.

Ehrenworte und Ritterlichkeit, Anstand und Mut

In der beiden Männer Welt geht es um Ehrenworte und Ritterlichkeit, Anstand, Mut, Tapferkeit und Standesbewusstsein.

Dass am Ende von Rauffenstein den Franzosen erschießt, trifft ihn sehr. Trotz aller Freundschaft war ihm die Pflicht, das Ausführen eines militärischen Befehls, wichtiger. Er entschuldigt sich beim sterbenden de Boeldieu

Für mich berührend war es, am Drehort Hohkönigsstein in der Vorburg zu stehen und von dort, wo Renoir die Kamera installiert hatte, auf die Mauer mit Treppen und Wehrgängen zu blicken, wo de Boeldieu die Soldaten mit einer Pfeife an den Lippen vom Fluchtversuch der Kameraden ablenkt.

An der Außenmauer ist die Stelle, wo Jean Gabin sich bei der Flucht abseilte und beim Betreten des Hauptgebäudes gehe ich über die Stufen, die auch von Rauffenstein hinauf- und herabsteigt.

Vor über 100 Jahren endete diese Welt

Vor über 100 Jahren dankte der Kaiser ab; 80 Jahre ist es her, als von Stroheim hier mit Monokel im Auge de Boeldieu beobachtete. Noch länger her scheint mir die Zeit, da die Ideale der von Rauffensteins noch gelebt wurden. Ritterlichkeit, Ehrenwort…

Eines der beliebten Jugendworte derzeit ist „Ehrenmann“. Doch mit der Bedeutung eines Ehrenwortes und seinen Konsequenzen hat dies nichts mehr zu tun.
Indem wir keinerlei Werte mehr leben, sind wir in Wirklichkeit ärmer geworden. In vielerlei Hinsicht.

Strafe und Autoritäten

In Zeiten, in denen bei Schlägereien und Überfällen auf am Boden liegende Opfer sogar noch eingetreten wird, gefasste Täter nicht mehr Konsequenzen fürchten müssen, weil als Ziel ihre Wiedereingliederung über einer Strafe steht, einer Zeit in denen Autoritäten respektlos ausgelacht oder angegriffen werden und man lieber vom Staat und den Steuern statt für das Land lebt, da wünsche ich mir manchmal die Welt der von Rauffensteins mit ihrer Ritterlichkeit, ihren Anstand, der Treue und einer Art der Opferbereitschaft zurück.

Im Film heißt es: „Weder Sie noch ich können den Lauf der Zeit aufhalten“, sagt der sterbende de Boeldieu und von Rauffenstein ergänzt: „Wer auch immer diesen Krieg gewinnt. Das Ergebnis dieses Krieges wird sein, dass man keine Rauffensteins und Boeldieus mehr braucht.“

 

Den Beitrag auf anderswohin.de über Hohkönigsburg, auch ein Video finden Sie HIER

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