Romantische Mittelalterstadt Büdingen | Hessen

Unterwegs in der Mittelalterstadt Büdingen, dem “Rothenburg ob der Tauber von Hessen”

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Dem Kern von Büdingen, der Mittelalterstadt in Hessen, gelegen am Fuß des Vogelsbergs, muss man sich von Westen her nähern. Durch die „Vorstadt“ nämlich. Jenes Gebiet, in dem sich im 18. Jahrhundert Glaubensflüchtlinge ansiedelten.

Die in Frankreich vertriebenen Hugenotten kamen auf Einladung von Graf Casimir von Ysenburg. Dessen Nachfahren leben noch heute im hessischen Büdingen nahe Frankfurt. Die Fürstenfamilie von Ysenburg und Büdingen und die Stadt teilen eine lange gemeinsame Geschichte. Eine Stadt, die vor allem durch eine Familie aus dem Hochadel das wurde, was sie heute ist: eine romantische Kleinstadt, in der dem Besucher das Mittelalter auf jedem Schritt begegnet, die man „das Rothenburg von Hessen“ nennt und somit eine der sehenswerten Kleinstädte in Mittelhessen ist. Denn die Fürstenfamilie kümmerte sich seit dem Mittelalter um Ausbau und Erhalt der Stadt.

Durch das Jerusalemer Tor

Wer die „Vorstadt“ durchquert, wird Büdingen durch das Jerusalemer Tor betreten. Ein gewaltiges Stadttor, Teil der noch fast vollständig erhaltenen Stadtmauer. Warum das Tor den Namen der Stadt in Israel trägt, darüber gibt es zwei Versionen. Denn entweder es erhielt seinen Namen durch ein Mitglied der Grafenfamilie Ysenburg, das an einem Kreuzzug teilnahm, oder von den angesiedelten Glaubensflüchtlingen, die das Tor an Erzählungen über das Aussehen der „himmlischen Stadt Jerusalem“ erinnerte.

Eine fast vollständig erhaltene Stadtmauer

Die Stadtmauer stellt eine Seltenheit dar. Bereits im 14. Jahrhundert hat es den Mauerring gegeben. Doch als anderswo die Stadtmauern abgerissen und wegen stärker werdenden Waffen völlig neu gebaut wurden, hat man in Büdingen die bestehende Stadtmauer stattdessen ergänzt und verstärkt. Somit ist heute hier eine fast komplette Stadtmauer mit etlichen Festungstürmen aus dem Jahr um 1500 erhalten. Ihr schönster Teil ist das Jerusalemer Tor, heute das Wahrzeichen der Stadt. Dank Protesten von Bürgern blieb dieses Untertor vom Abriss im 19. Jahrhundert verschont. Von hier gelangen Besucher in die zwei Teile der Altstadt.

Denn das Stadtzentrum teilt sich tatsächlich in eine „Altstadt“ – der ältere Bereich an der Wasserburg – und ab dem heutigen Marktplatz bis zum Jerusalemer Tor in eine „Neustadt“. War zunächst nur die „Altstadt“ von einer Stadtmauer umgeben, nahm man später das Gebiet der „Neustadt“ dazu und bezog es in die neue Stadtmauer mit ein.

Eine Stadt aus Buntsandstein und Fachwerk

Die mittelhessische Mittelalterstadt aus Buntsandstein und Fachwerk liegt am Fuß des Vogelsbergs. Büdingen hat 16 Stadtteile – knapp über 8000 Einwohner leben in der Kernstadt. Wetterau nennt man die Wiesenlandschaft um Büdingen. Der Seemenbach durchzieht das sumpfige Gelände. Wegen des Sumpfes steht die Stadt auf Holzpfählen. Den Grundwasserspiegel müssen die Büdinger darum auch immer hochhalten – damit keine Luft an das Holz kommt und es somit nicht modern kann.

Mit einer stauferzeitlichen Wasserburg, im 12. Jahrhundert zum Schutz der Wälder angelegt, begann auch die eigentliche Geschichte der Stadt. Das Schloss liegt an dem Jerusalemer Tor gegenüberliegenden Stadtrand und ist der Abschluss Büdingens nach Osten, wo die Berge und die großen Wälder beginnen. Vielleicht war sogar Stauferkaiser Barbarossa der Burggründer. Er jedenfalls organisierte die Wetterau als Reichsland und 1131 sind die Herren von Büdingen in Diensten des Kaisers, der im nur 15 Kilometer entfernten Gelnhausen eine Pfalz hatte – und dort auch gewesen ist. Bündigen könnte eine Jagdburg von Barbarossa gewesen sein.

Das Erscheinungsbild von Schloss Büdingen ist beeindruckend gewaltig. Als Rundbau geplant, ist die ehemalige Burg aus Buckelquadern errichtet ein Dreizehneck. Der Hauptburg, heute ein Sammelsurium verschiedenster Baustile, vorgelagert ist seit dem Spätmittelalter eine Vorburg. Ebenfalls ein Rundbau. Das Schloss betritt man durch einen Wachbau von der Schlossgasse her. An ihr lagen die Häuser der Burgmannen und Hofbeamten. Welche Bauform des Mittelalters ist hier nicht vertreten? Gotik und Spätgotik, frühe Renaissance, Barock – alles ist im Bereich der „Altstadt“ vertreten.

Die Neustadt entstand vor der Stadtmauer

Enge Gassen zwängen sich zwischen den Häusern – unten Buntsandstein, oben Fachwerk – hindurch. Die schmale Straße „Altstadt“, die Mittelachse der Stadt, windet sich durch die teilweise schief stehenden Häuser zum heutigen Marktplatz hin. Hier, am Hotel Schwan, war die Karlspforte. Im 12. Jahrhundert war das die Stadtgrenze mit Tor. Doch die Stadt wuchs weiter. Die Neustadt entstand vor der Stadtmauer. 1390 erhielten die Bürger der Neustadt gleiche Rechte wie die der Altstadt. Ab 1500 umschloss die Stadtmauer dann beide Stadtteile.

Durch das Jerusalemer Tor betreten wir das Mittelalter. Vorbei am „Fürstenhof“ und „Anker“, eines Hotel-Restaurant“, das andere ein griechisches Restaurant, tauche ich in der „Neustadt“ ein zwischen Häusern gebaut aus Buntsandstein. Die schmale Straße mit dem Kopfsteinpflaster teilt sich schon bald. Nebenstraßen locken zum Entdecken. Büdingen ist übersichtlich. Die Hauptstraße biegt ab nach rechts und führt zum Marktplatz.

Ein Rathaus mit Kaufhalle

Vorbei geht es am Alten Rathaus, heute Museum. Ein für Büdingen gewaltiger Bau, der den Straßenzug beherrscht. Unten war früher eine Kaufhalle, oben zeigen Stufengiebel, dass hier ein besonderes Haus sein sollte. 1458 soll es gebaut worden sein. Hier gab es nicht nur die Räume für den Rat und das Amtsgericht – auch einen Festsaal hatte man. Hier war bereits der Eingang zur Altstadt. Das „50er Jahre-Museum“ im „Hotel Zum Schwanen“ (das Haus stammt von 1500) gegenüber dem Tourist Service will an die Wilden Jahre auch in der hessischen Kleinstadt erinnern – unweit in Bad Nauheim wohnte übrigens Elvis Presley während seiner Militärzeit in Deutschland.

Auf der Terrasse einer Kneipe am Marktplatz herrscht Hochbetrieb. Ein Stammtisch hat sich dort niedergelassen. Man lästert laut über die Lokalpolitik. Bier wird ausgeschenkt. Eine Touristenführung beginnt am Marktbrunnen vor der Kneipe. Die Fremdenführerin trägt den Look einer Bäuerin aus dem Mittelalter.

Brücke über den feuchten Graben

Die eine Hälfte des Platzes heißt „Auf dem Damm“. Denn ein flacher Damm entlang es Baches trennte einst die Neu- von der Altstadt. Eine Brücke führte über den feuchten Graben. Die Straße „Altstadt“ führt nun in den Bereich gleichen Namens. Links liegt die Marienkirche. Man könnte hier abkürzen und gleich zum Schloss gehen, denn das liegt gleich dahinter. Ende des 15. Jahrhunderts wurde der spätgotische Hallenbau errichtet. In der Kirche, das wird dem Betrachter sofort klar, wäre genug Platz für jede Menge Ausschmückung und Kirchenkunst. Insbesondere der Chorraum lässt ein Chorgestühl vermissen.

Bis 1601 hat es das alles auch gegeben. Doch da trat der damals regierende Graf zum Calvinismus über. Und alles schmückende musste nun raus aus der Kirche. So wollten es die Calvinisten. Und dabei blieb es auch. Vorbei am Hotel-Restaurant Blesse führt die „Altstadt“ zum Stadttor und hinaus aus der Altstadt. Ein Fleischermuseum ist im Turm neben dem Tor untergebracht. Links führt eine schmale Straße Richtung Schloss.

Viele herrliche prächtige Häuser aus Buntsandstein und Fachwerk gibt es in Büdingen zu entdecken. Zu schade, wenn man nur einen Tag Zeit hat. Wir hatten drei – und haben lange noch nicht alles sehen können.

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