Die Brigittenkirche: Keimzelle der Gewerkschaft Solidarność | Danzig

Die Brigittenkirche in Danzig. Hier wurde Geschichte geschrieben, denn in diesen Räumen keimten Gedanken und Taten der polnischen Gewerkschaft Solidarność.

Teilen

Die Brigittenkirche in der Altstadt von Danzig besucht man wegen der Zeitgeschichte, die hier geschrieben wurde. Denn in diesen Räumen keimten Gedanken und Taten der Gewerkschaft Solidarność und ihres Anführers Lech Wałęsa, hier begann der Niedergang der kommunistischen Staatenwelt.

Um 1400 als Klosterkirche errichtet, dann mehrfach zerstört, stammt der heutige Bau größtenteils von 1971. Der gewaltige Altar, errichtet aus mehr als sechs Tonnen Bernstein, eine Muttergottesfigur im Zentrum – ist ein kostbares wie opulentes Kunstwerk der Neuzeit.

Doch nicht wegen der Kunst besucht man die Brigittenkirche. Vielmehr ist es die jüngste Geschichte Polens, die man hier förmlich spüren kann. Lässt man der Fantasie etwas Raum und betrachtet die wenigen Schmuckstücke im Innenraum – so lässt man sich versetzten in das Jahr 1980, die Zeit des „Polnischen Frühlings“, der hier seinen Lauf nahm und letztendlich die Welt veränderte.

Unweit der Kirche liegt die Danziger Werft, die früher Leninwerft hieß. Die schon immer aufmüpfigen Werftarbeiter Danzigs traten hier im Sommer 1980 in den Streik. Auslöser waren steigende Fleischpreise und ungerechtfertigte Entlassungen. Ein Streik, aus dem die Gewerkschaft Solidarność entstand, die sich als Bewegung von hier ausbreitete, die letztendlich Polen revolutionierte und die kommunistische Staatenwelt ins Wanken brachte.

Im Sommer 1980 wurde ein betriebliches Streikkomitee unter der Führung von Lech Wałęsa gegründet, das mit der Betriebsleitung verhandelte. Er wurde auch Vorsitzender von Solidarność. Überall im Land solidarisierte man sich mit der Solidarność und ihren Forderungen. Unterstützung fanden die Werftarbeiter auch bei der katholischen Kirche.

Der Pfarrer der Brigittenkirche, Henryk Jankowski, war es, der vor über 8000 Arbeitern auf dem Fabrikgelände Messen lag, dadurch den Streikenden jene moralische Unterstützung gab, die sie mutiger machte. In der Brigittenkirche versammelten sich die Gewerkschaftsführer, hier diskutierte man Ziele, von hier zog man nach der Messe zur Demonstration.

Erinnerungen an Solidarność

Drei Orte im Kirchenschiff sind Gedenkstätten dieser Bewegung, die Polen und die Welt veränderten. Zum einen ist der Altar der Solidarność mit den rot-weißen Fahnen der Gewerkschaft geschmückt, mit Urnen verstorbener Kämpfer, mit Gedenkplaketten. Und es ist das Grab von Henryk Jankowski. Der katholische Pfarrer hatte am 17. August 1980, drei Tage nach dem Ausbruch des Streiks, eine Messe auf dem von den Sicherheitskräften umstellten Werftgelände abgehalten. Seitdem galt er als Pfarrer der Solidarność. Bilder einer kleinen Ausstellung über Jankowski zeigen sein Auftreten bei der Messe und mit Lech Walesa, dessen Beichtvater er war.

Nach Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 half Pfarrer Jankowski verfolgten Gewerkschaftsaktivisten. Die Brigittenkirche wurde zum Treffpunkt für Regimekritiker. Und als Lech Walesa vom Regime unter Hausarrest gestellt wurde, war der Pfarrer sein „Sprachrohr“ nach außen. Henryk Jankowski fiel später, es war nach der Wende 1989, wegen seines Lebensstils und einiger Aussagen in Ungnade, wurde sogar vom Amt abberufen. Er starb 73-jährig 2010.

So wie Jankowski und Lech Walesa mit der (heute bedeutungslosen) Solidarność verbunden war, ist es auch Jerzy Popiełuszko, für den ein Gedenkstein dicht neben dem Gewerkschaftsaltar steht. Der Priester, ein Sympathisant der Solidarność, war während des Streiks von 1980 als Seelsorger zur Unterstützung der Warschauer Stahlarbeiter eingesetzt. Nach dem Verbot der Solidarność wurde seine Gemeinde zum Sammelbecken für Bürgerrechtler. In seinen Predigten kritisierte er zum Missfallen der Machthaber das kommunistische Regime, das 1981 verhängte Kriegsrecht und das Verbot der Solidarność.

1984 wurde Popieluszko vom Staatssicherheitsdienstes ermordet. Sein Tod wurde aufgeklärt, er selber zu einem polnischen Nationalhelden. Über 25 Millionen Menschen haben sein Grab in Warschau in den letzten Jahren aufgesucht.

1989 wurde Solidarność wieder zugelassen. Lech Wałęsa führte das Bürgerkomitee der Solidarność, eine Partei, die Sieger der Parlamentswahlen im selben Jahr wurde. Wałęsa übernahm nun eine Schlüsselrolle in der Politik, unter seiner Vermittlung entstand die erste nicht-kommunistische Regierung im Ostblock. 1990 gewann Wałęsa die Präsidentschaftswahlen und wurde für fünf Jahre Präsident Polens, bevor er und die Solidarność in die heutige politische Bedeutungslosigkeit abstiegen.

Ronald Reagan, Margret Thatcher, Johannes Paul II.

Wie sehr die Brigittenkirche symbolisch für den Kampf der Solidarność und den Fall des eisernen Vorhangs steht, misst sich an den Besuchern, die hierherkamen. Lech Walesa traf in den Kirchenräumen mit US-Präsident Ronald Reagan, der britischen Premierministerin Margret Thatcher und mit Papst Johannes Paul II – er gilt als der moralische Kraftgeber bei der Freiheitsbewegung in Polen – zusammen. An den Papstbesuch erinnert eine Statue vor dem Kirchentor. Unweit davon steht ein weiteres Denkmal an Pfarrer Henryk Jankowski. Für den Pfarrer der Solidarność werden hier fast täglich Blumen niedergelegt. Die Helden von 1980 – in Danzig sind sie unvergessen.

Parafia Św. Brygidy
Profesorska 17

Teilen

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You may use these HTML tags and attributes:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>