Rügen | Das Ende der Welt in Kap Arkona

Am Ende von Rügen liegt auch das Ende der Welt: Kap Arkona

Teilen

 Kap Arkona auf der Insel Rügen. Der Wind schlägt in mein Gesicht. Ich bin in „Gellort“ angekommen. Ist hier das „Ende der Welt“?

Vorsichtig fasse ich nach dem Holzgeländer vor mir und schaue den Abhang runter. 45 Meter unter mir schlagen die Wellen der Ostsee sanft gegen große Steinbrocken. „Siebenschneiderstein“ heißt der größte von ihnen. Ein 165 Tonnen schwerer Findling. Eine Treppe führt dort den weißen Kreidefelsen runter. Weit entfernt von der Küste sehe ich einen Kutter vorbeiziehen.

Kap Arkona. Die nördlichste Spitze auf Rügen, von der „Gellort“ auf der Halbinsel Wittow die am weitesten in die Ostsee hineinragende Stelle der Landzunge ist. Wild und romantisch ist es am Kap. Allerdings nicht einsam. Kap Arkona dürfte der meistbesuchte Ort auf der Insel sein. Hier will ich eine Zeitreise mach, auf den Spuren von 1000 Jahren Geschichte gehen.

Den Pkw muss ich im Ort Putgarten abstellen. Die Gemeinde Putgarten hat knapp 250 Einwohner. Nur ein Bruchteil davon lebt im Ort. Von hier aus sind es noch keine zwei Kilometer bis zum Kap. Parken ist natürlich gebührenpflichtig.

Von Putgarden mit der Arkona-Bahn fahren

Wer nicht zu Fuß gehen will, kann mit der Kap-Arkona-Bahn fahren. Empfehlenswert ist der Kauf eines Rundfahrt-Tickets (2015: 4.-) an der Station am Parkplatz. Denn damit kann man auch am „Rügenhof“ (eine Kunsthandwerkausstellung) aussteigen oder (nach der Rückkehr vom Kap zum Parkplatz) mit einer anderen Bahn zum wenig weiter entfernten romantischen Fischerdorf Vitt fahren.

Die kleine Bahn rollt auf Rädern über die Kopfsteinpflaster im Ort, dann über den Fußweg Richtung Küste. Es ruckelt gewaltig als wir vorbei an einem Café mit Namen „Helene Weigel-Haus“ vorbeirollen. Das 200 Jahre alte Fischerhaus trägt den Namen der Schauspielerin Helene Weigel, Ehefrau von Bertolt Brecht, die das Haus Mitte der 50er Jahre als Ferienhaus kaufte. Bis 1990 diente es den Mitgliedern des „Berliner Ensembles“ als Ferienunterkunft.

Wo der vierköpfige Svantevit herrschte

Die Bahn stoppt an Kap Arkona. Natürlich hat hier längst der Tourismus Einzug gehalten. Imbissbuden, Restaurant, Cafés, Souvenirläden – das gehört dazu. Ich blicke zum ehemaligen Marinepeilturm (heute ist im Innern ein Atelier) wenig entfernt vom Haltepunkt der Bahn. Ein 260 Meter langer und 12 Meter hoher Erdwall grenzt hinter dem Turm ein Gebiet zur steil abfallenden Küste ab. Hier herrschte einst „Svantevit“.

Mit dem slawischen Gott und dem nach Rügen eingewanderten Volk der Ranen beginnt die Geschichte. Die Ranen waren im Zuge der Völkerwanderung hierhergekommen, hatten diese wilde, faszinierende Region als heiligen Ort für ihre vierköpfige Gottheit Svantevit auserkoren. Hinter dem Erdwall lag geschützt ihr Tempel, in dem die hohe Holzstatue stand, einen Metbecher in der Hand. Ein Priester wachte über den Kult, 300 Krieger schützen den Tempel.

Die untergegangene Jaromarsburg auf Rügen

Vom riesigen Tempelbezirk, der Jaromarsburg, ist heute nur noch die Hälfte da. Immer wieder im Winter brechen hier Teile des Kreidefelsens ab, reißen auch die Geschichte in die Tiefe. Zu sehen ist vom Tempel und der Gottheit heute aber aus anderen Gründen nichts. Denn im 12. Jahrhundert eroberten Dänen Kap Arkona. Aus christlicher Überzeugung wurde der Bau abgerissen, die Holzfigur verbrannt und so die Christianisierung Rügens eingeleitet. Eine anstelle des Tempels errichtete Holzkirche ist inzwischen auch verschwunden.

Mein Weg führt weiter Richtung Küste. Vorbei geht es an mehreren ehemaligen Leuchttürmen und Wetterstationen. Der bekannte Architekt Schinkel baute 1826 in norddeutscher Backsteingotik den Schinkelturm, auf dem ein Leuchtfeuer brannte. Heute ist im Turm ein Museum und eine Außenstelle des Standesamts. Vor dem Schinkelturm zeigen in den Boden eingelassene Tafeln die Namen der bisher hier getrauten Brautleute. Gleich daneben steht der 33 Meter hohe „Neue Leuchtturm“. Er wurde 1902 gebaut und ist bis heute in Betrieb. Auch dieser Turm ist geöffnet; oben gibt es eine Aussichtsplattform.

230 Stufen für König Friedrich III.

Steil führt die Königstreppe bergab. 230 Stufen, die 42 Meter hinabführen. Büsche und Gestrüpp verhindern, dass Kap Arkona-Besucher dorthin gehen. Die Treppe ist seit 2012 gesperrt. Damals war unten am Ufer ein Kind durch abbrechende Kreidefelsen getötet worden. Die 1995 angelegten Stufen sind der Nachbau einer wesentlich ältere Treppe.

Für den pompösen Empfang eines Dampfbootes mit einer kaiserlich-russischen Expedition an Bord ließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1833 einen Anleger an Kap Arkona errichten. Die Treppe wurde für seinen würdevollen Abstieg zum Anleger gebaut. Danach nutzen die vielen Ausflugsdampfer der Rügentouristen den Steg. Eine Sturmflut zerstörte den Bau 1953.

Zwei ehemalige Bunker schräg gegenüber dem Zugang zur Königstreppe aus kaiserlicher Zeit führen in andere Zeiten. Der eine Bunker wurde von der Deutschen Wehrmacht errichtet, der andere stammt aus der DDR-Zeit und war eine Anlage der NVA. Dieser größere war zugleich Zugang zu einer 2000 Quadratmeter großen NVA-Bunkeranlage der Marine. Die Anlage ist heute Museum und kann besichtigt werden.

Der Weg führt nun bergab, wird schmaler, wendet sich durch einen kleinen Wald und endet an der steilen Küste. Ich bin in „Gellort“ angekommen. Der Wind schlägt in mein Gesicht, während ich die Wellen der Ostsee betrachte. Wie verzaubert und auch unheimlich mag dieser Ort mit der weißen steilen Wand auf die Ranen vor über 1000 Jahren bereits gewirkt haben? Hier, am Ende ihrer Welt.

Teilen
  1. Anonym says:

    Guter Beitrag. Wir waren selbst schon an Kap Arkona und ich muss sagen: es war faszinierend

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You may use these HTML tags and attributes:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>